Potenzial von Blood Flow Restriction-Training bei Ausdauerathleten
Ausdauerathleten haben das Problem, dass bekanntermaßen trainingsassoziierte Anpassungen der Leistung mit steigender Fitness abnehmen: je besser der Trainingszustand, desto schwerer sind weitere Leistungssteigerungen. Diese Tatsache zeigt sich sogar auf molekularer Ebene: Die Signalantwort auf eine Trainingseinheit fällt mit steigender Leistung immer geringer aus. Aus diesem Grund wird nach Interventionen gesucht, die die zelluläre und molekulare Antwort hoch ausfallen lassen, um kontinuierliche weitere Anpassungsreize zu setzen. Mit Blood Flow Restriction (BFR) oder Okklusionstraining scheint das möglich zu sein.
Training unter partieller Hypoxie
Beim BFR wird mittels einer aufblasbaren, möglichst proximal angebrachten Manschette der arterielle Blutfluss in bestimmte Muskelgruppen während oder nach Belastung teilweise, und der venöse Rückfluss überwiegend bis vollständig unterbunden. Studien zeigen aus unterschiedlichsten Trainingsbereichen (Kraft-, Hypertrophie- und Ausdauertraining, Rehabilitation) eindrucksvolle Leistungsverbesserungen in relativ kurzer Zeit (1, 3). Verantwortlich dafür scheinen die Veränderungen im Blutflussmuster im peripheren Gefäßsystem und der Skelettmuskulatur, welche Stress durch Scherspannung sowie hypoxische, metabolische und oxidative Stresssignale darstellen. Vermutlich sind genau diese Signale für die Anpassungsprozesse verantwortlich. Angestrebt wird, mit dieser Methode die Mitochondrienfunktion zu verbessern und die Kapillarbildung anzuregen. Untersuchungen relevanter Marker für die Mitochondrien-Biogenese und Angiogenese bestätigen, dass das funktioniert (1, 2).
Empfehlungen fürs Ausdauertraining unter Blood Flow Restriction
Für den gut trainierten Ausdauersportler haben Patterson et al. (3) in ihrem Review basierend auf publizierten Daten Empfehlungen aufgestellt (siehe Tabelle). Die Daten für Ausdauertraining unter BFR zeigen, dass die Zunahme an Kraft und Hypertrophie in der Skelettmuskulatur nach drei Wochen Trainingsdauer anschlägt, die Auswirkungen aber nach mindestens sechs Wochen Training am effektivsten sind. Dann wurde eine Zunahme der Kraft zwischen 7-27 Prozent und Hypertrophie zwischen 3-7 Prozent beobachtet. Auswirkungen auf die aerobe Kapazität treten nicht immer auf.
In manchen Studien wurde die Druckmanschette erst sofort nach einer Ausdauerbelastung angelegt. Das hatte bei trainierten Athleten offenbar stärkere Verbesserungen der VO2max und damit für größere aerobe Anpassungen zur Folge (4). Eine Studie zeigte, dass das Hypoxieniveau während einer Laufbandeinheit mit BFR vergleichbar war mit einem Lauf unter systemischer Hypoxie mit 14 Prozent Sauerstoffgehalt (entspricht einer Höhe von 3 250 m) (3).
Passenden Druck finden
Es ist in der praktischen Anwendung nicht immer einfach, den passenden Druck zu finden. Der Umfang der Beine, der Blutdruck und andere Faktoren beeinflussen, wie viel Druck angelegt werden muss, um eine 40-80 prozentige Reduktion des arteriellen Verschlussdrucks zu erreichen. Eine individuelle Anpassung ist unbedingt nötig. Der passende Druck kann ermittelt werden, in dem die Manschette bis zum Erliegen des arteriellen Blutflusses (100 Prozent) aufgepumpt und davon ausgehend der Prozentsatz berechnet wird.
Gefahr von Muskelschädigungen besteht
Neben starken Effekten auf die Leistungsfähigkeit bietet Blood Flow Restriction aber auch Gefahren. Viele Studien zeigen, dass bei zu intensivem, zu schnell begonnenem oder zu häufigem BFR-Training die Möglichkeit für die Entstehung einer trainingsinduzierten Myopathie oder sogar einer Rhabdomyolyse besteht. Wernbom et al. (5) haben in einem Kommentar zum Review von Peterson (3) die bestehende Evidenz zusammengetragen. Die zitierten Studien beziehen sich jedoch alle auf Krafttraining unter BFR, nicht auf Ausdauertraining. Dennoch sollten Therapeuten, Trainer und Athleten langsam beginnen. Nach einer ersten Einheit sollte bis zur nächsten BFR-Einheit ein Abstand von 14 Tagen eingehalten werden, da dadurch die Gefahr von Schädigungen massiv reduziert wird („repeated bout effect“). Außerdem sollten alle Beteiligten die Kennzeichen von Komplikationen (er)kennen und gegebenenfalls umgehend reagieren.
■ Hutterer C
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Quellen:
Ferguson RA, Hunt JEA, Lewis MP, Martin NRW, Player DJ, Stangier C, Taylor CW, Turner MC. The acute angiogenic signalling response to low-load resistance exercise with blood flow restriction. Eur J Sport Sci. 2018; 18: 397-406. doi:10.1080/17461391.2017.1422281
Groennebaek T, Jespersen NR, Jakobsgaard JE, Sieljacks P, Wang J, Rindom E, Musci RV, Bøtker HE, Hamilton KL, Miller BF, de Paoli FV, Vissing K. Skeletal Muscle Mitochondrial Protein Synthesis and Respiration Increase With Low-Load Blood Flow Restricted as Well as High-Load Resistance Training. Front Physiol. 2018; 9: 1796. doi:10.3389/fphys.2018.01796
Patterson SD, Hughes L, Warmington S, Burr J., Scott BR, Owens J, Abe T, Nielsen JL. Libardi CA, Laurentino G, Neto GR, Brandner C, Martin-Hernandez J. Loenneke J. Blood Flow Restriction Exercise: Considerations of Methodology, Application, and Safety. Front Physiol. 2019; 10: 533. doi:10.3389/fphys.2019.00533
Taylor CW, Ingham SA, Ferguson RA. Acute and chronic effect of sprint interval training combined with postexercise blood-flow restriction in trained individuals. Exp Physiol. 2016; 101: 143-154. doi:10.1113/EP085293
Wernbom M, Schoenfeld BJ, Paulsen G, Bjørnsen T, Cumming KT, Aagaard P, Clark BC, Raastad T. Commentary: Can Blood Flow Restricted Exercise Cause Muscle Damage? Commentary on Blood Flow Restriction Exercise: Considerations of Methodology, Application, and Safety. Frontiers in physiology. 2020; 11: 243. doi:10.3389/fphys.2020.00243