Optimierung der muskuloskelettalen Rehabilitation durch Einbezug individueller Faktoren der zellulären Plastizität
Editorial von Prof. Martin Flück, Leiter des Labors für Muskelplastizität an der Universitätsklinik Balgrist der Uni Zürich, aus der Ausgabe #9/2018 der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM). Sein Beitrag geht der Frage nach, inwiefern der Einbezug individueller genetischer und weiterer konstitutioneller Faktoren der Muskelplastizität für die muskuläre Rehabilitation optimiert werden könnten.
Verletzungen des Bewegungsapparates stellen eine besondere therapeutische Herausforderung dar. Betroffene Personen unterliegen in Folge der damit einhergehenden mehrwöchigen Einschränkung der Belastbarkeit des Stütz- und Muskelgewebes einer negativen Modellierung des implizierten Muskel- und Sehnengewebes. Dies führt zu einem Verlust an Kraft und Ausdauer durch eine Dekonditionierung des neuromuskulären Systems. Durch die längerfristige Reduktion der Mobilität, und Arbeitsfähigkeit, sind nicht therapierte Personen zudem dem Risiko ausgesetzt, dass Ihre Gesundheit in schleichender Art und Weise über systemische Einflüsse metaboler und psychologischer Faktoren leidet (1). Basierend auf Erhebungen zu jährlichen Ausgaben von ~1900 Euro pro Person stellen Massnahmen zur Erhaltung der muskuloskelettalen Gesundheit ein nicht unbedeutendes medizinökonomisches Substrat dar.
Degeneration des inaktiven Bewegungsapparates
Belastungsgesteuerte Massnahmen innerhalb einer medizinische Trainingstherapie, und eine kontrollierte begleitende körperliche Aktivität, sind die Methode der Wahl für die Reetablierung der funktionellen Verhältnisse nach der primären, eventuell chirurgischen, Versorgung einer muskuloskelettalen Verletzung. Dies begründet sich in der Abhängigkeit des Proteinumsatzes muskuloskelettaler Gewebe von der Einwirkung physiologischer Reize. Das Phänomen manifestiert sich in betontem Masse, in der belastungsregulierten zellulären Plastizität des Skelettmuskels und der damit in Verbindung stehenden Sehne (4). Es kann heute davon ausgegangen werden, dass eine fehlende oder stark reduzierte mechanische und metabole Auslastung die beobachtbare Abnahme der Muskelkraft und -ausdauer in der Phase der Ruhigstellung nach einer muskuloskelettalen Verletzung erklärt (4, 5, 8). Die Datenlage unterstützt, dass eine mechanische Entlastung innerhalb weniger Tage erkennbare molekulare und anatomische Veränderungen der betroffenen Muskulatur auslöst (4).
Hierbei sei auf den Verlust zellulärer Strukturen der Myofibrillen, Kapillaren und Mitochondrien verwiesen, welche an der Kraftproduktion und Energiebereitstellung im Skelettmuskel beteiligt sind. Im Fall einer Ruhigstellung über eine Dauer von zwei bis sechs Wochen, ist eine bis zu 30%-ige Abnahme der Muskelmasse messbar. Im Extremfall einer nicht rekonstruierten Sehnenruptur kann dies in eine kritische Degeneration der zellulären Zusammensetzung durch eine irreversible Verfettung und Muskelverkürzung übergehen (5, 8). Man darf davon ausgehen, dass eine angepasste Rehabilitation die Degeneration des muskuloskelettalen Gewebes durch Stimulierung von Wachstums- und Differenzierungsvorgängen verhindert, respektive umkehrt (5).