Medicine in Spine Exercise (MiSpEx)
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Können anhand psychischer Faktoren chronische Rückenbeschwerden und Trainingsausfälle bei Athletinnen und Athleten vorausgesagt werden? Der MiSpEx-Forschungsverbund (National Research Network for Medicine in Spine Exercise) nimmt sich dieser komplexen Fragestellung an und entwickelt ein neuartiges Diagnosetool, mit dessen Hilfe es möglich werden soll, Rückenschmerzen zuverlässig vorauszusagen.
Chronisch unspezifische Rückenschmerzen, auch CURS genannt, sind seit Jahren sowohl gesellschaftlich mediales als auch wissenschaftliches Thema. Sie gelten als eine der häufigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeitstage und verursachen in Deutschland jährlich immense Kosten. Auch bei etwa 39 Prozent der Sportlerinnen und Sportler treten chronisch unspezifische Rückenschmerzen auf (Jahresprävalenz). Insbesondere im Profibereich können Trainings- oder Wettkampfausfälle aufgrund von Rückenbeschwerden Konsequenzen für die Karriere haben.
Die Ursachen für CURS sind jedoch vielschichtig. Sie beinhalten neben dem Lebensstil (z. B. Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel) oder genetischen Veranlagungen auch psychosoziale Faktoren, wie neuere Studien belegen. Diese identifizierten Aspekte wie chronischen Stress, ungünstige Schmerzverarbeitung und depressive Stimmungslagen als Risikofaktoren, die auch im Leistungssport von Bedeutung sind.
Damit Leistungs- bzw. Freizeitsportlerinnen und -sportler frühzeitig möglichen Beschwerden entgegenwirken können, benötigen Ärzte oder Therapeuten wissenschaftlich untermauerte Screeninginstrumente, die das CURS-Risiko möglichst gut vorhersagen können. Darüber hinaus können so bisher bestehende Unklarheiten zu Erfolgschancen von Präventions- und Therapiemaßnahmen erforscht werden. Denn noch immer ist nicht abschließend geklärt, warum Trainingsprogramme bei manchen Menschen Rückenschmerzen zuverlässig reduzieren können und bei anderen nicht. Möglicherweise weisen diese sogenannten »Non-Responder«, also Menschen, bei denen ein Training nicht die gewünschten Wirkungen erzielt, ein eigenes Muster in ihrem Risikoprofil auf.
Das nationale Forschungsnetzwerk MiSpEx nimmt sich dieser komplexen Fragestellungen an. Das ehrgeizige Forschungsvorhaben wird über acht Jahre in 3 Multicenter- und 34 Teilstudien umgesetzt, wobei einflussnehmende Risikofaktoren in 3 Multicenter- sowie 11 Teilstudien untersucht werden. Die geplante Studienumsetzung beschreiben Prof. Wippert von der Universität Potsdam und ihr Team in einem aktuellen Positionspapier (siehe unten). Sie sind Teil des MiSpEx-Netzwerks, das verschiedene Forschungseinrichtungen mit klinischem und nicht-klinischem Hintergrund sowie Einrichtungen mit Bezug zu unterschiedlichen medizinischen Versorgungssystemen (etwa Universitäten, Olympiastützpunkte, Fachverbände und Rehakliniken) vereint und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert wird.
MiSpEx-Trainingsprogramm gegen Rückenschmerz
Der deutschlandweite Forschungsverbund hat darüber hinaus ein Trainingsprogramm entwickelt, das online frei zur Verfügung gestellt wird (siehe unten). Das Programm berücksichtigt verschiedene Leistungsstände der Teilnehmenden und ist somit sowohl für Beginner als auch für Hochleistungssportler geeignet. Das von den hochkarätigen Forscherinnen und Forschern verschiedener deutscher Universitäten entwickelte Programm wurde in einer großen Multicenter-Studie mit über 1500 Patientinnen und Patienten auf seine Wirksamkeit überprüft. Es führt der Studie zufolge neben einer Reduktion von Rückenschmerzen sowohl zu einer verbesserten Kraftfähigkeit der Rückenmuskulatur als auch zu einer Verbesserung der durch Rückenschmerz hervorgerufenen Einschränkungen im täglichen Leben.
Weiterführende Informationen
Nationales Forschungsnetzwerk MiSpEx: www.mispex.de
MiSpEx-Positionspapier: Psychosoziale Risikofaktoren in der Entstehung von chronisch unspezifischen Rückenschmerzen. doi: 10.1026/1612-5010/a000245
MiSpEx-Trainingsprogramm zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur: www.mispex.de/uebung
Sports, Medicine and Health Summit 2021
Studienergebnisse zu Risikofaktoren und Therapien von Rückenbeschwerden bei Breiten- und Spitzensportlern werden im April 2021 im Rahmen des Sports, Medicine and Health Summits vorgestellt und deren Anwendung für die Praxis diskutiert. In der Session »Athlete low back pain in the 21st century« spricht unter anderem Dr. Katharina Trompeter, Ruhr Universität Bochum und Mitarbeiterin im MiSpEx Forschungsnetzwerk, über Prävalenz und Risikofaktoren von Rückenschmerz im Sport und stellt sich die Frage, welche praktischen Konsequenzen sich daraus für die Prävention ergeben.
■ Laura L. Bischoff