Koronare Arteriosklerose durch lebenslanges intensives Ausdauertraining?

Koronare Arteriosklerose durch lebenslanges intensives Ausdauertraining?
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Während die Forschung bis vor kurzem noch davon ausging, dass regelmäßiges Ausdauertraining eine immunisierende Wirkung gegenüber ischämischen Herzerkrankungen hat, häufen sich in letzter Zeit Studien, die das Gegenteil vermuten. Obwohl die positiven Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System bestehen, scheint es einen Zusammenhang zwischen lebenslangem Ausdauersport und dem Entstehen von koronaren Plaques zu geben. Ein Paradoxon, das nun ein vorwiegend belgisches Forscherteam lösen wollte und die bisher größte und umfassendste Studie zur Untersuchung der Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen intensivem Ausdauertraining und koronarer Arteriosklerose durchgeführt hat.

Um das Risiko der Auswahlverzerrung zu minimieren und die statistische Aussagekraft zu erhöhen, wurden in die prospektive Beobachtungs-Kohortenstudie insgesamt 558 ausschließlich männliche Teilnehmer weißer Ethnie aus einem Bewerbertool zufällig ausgewählt. Personen mit kardiovaskulärer Vorerkrankung oder anderen bestehenden Risikofaktoren dafür, Raucherhistorie, BMI über 27,1 oder Jodkontrastmittel-Unverträglichkeit wurden ausgeschlossen. Aufgrund eigener Angaben wurden die Teilnehmer drei Gruppen zugeordnet:

„Lebenslange“: 191 Männer mit gesundem Lebensstil, die zusätzlich im Durchschnitt 11 Std./Woche Ausdauertraining betrieben, meist Radfahren, seltener Laufen oder Triathlon und das schon seit vor ihrem 30. Lebensjahr (29-44 Jahre Trainingshistorie).

„Späteinsteiger“: 191 Männer mit gesundem Lebensstil, die im Durchschnitt 10 Std./Woche wie Gruppe 1 trainierten, und zwar seitdem sie 30 Jahre oder älter waren (9-20 Jahre Trainingshistorie).

„Kontrolle“: 176 Männer mit gesundem Lebensstil, die 0-3 Std./Woche mit Laufen, Schwimmen, Fußball oder Tennis verbrachten mit einer Trainingshistorie von 0-26 Jahren.

Die Probanden waren im Durchschnitt 56 +/- 6 Jahre alt, und wurden, um altersabhängige Prävalenzen zu berücksichtigen, in Altersgruppen von 45-53 (Gesamtanteil: 3/7), 54-62 (Gesamtanteil: 3/7) und 63-70 (Gesamtanteil: 1/7) eingeteilt. Blutdruck-, Gesamtcholesterin- und HbA1c-Werte sowie familiäre Inzidenz für KHK waren gruppenübergreifend ähnlich, lediglich BMI und Körperfettanteil waren bei der Kontrollgruppe etwas höher als in den beiden anderen. Der VO2max-Wert betrug bei den „Lebenslangen“ im Mittel 48 ml/min/kg, bei den „Späteinsteigern“ 46 ml/min/kg und bei der „Kontrolle“ 37 ml/min/kg.

Mittels Computertomographie-Koronarangiographie (CTCA) wurden zwei Untersuchungen durchgeführt. In einem ersten Schritt wurde der Agatston-Koronarkalk-Score (CAC) mit einem nicht EKG-verstärkten Scan ermittelt. Anschließend wurde ein zweiter Scan, diesmal mit EKG, durchgeführt. Die Auswertenden waren bezüglich der Teilnehmer, ihrer Gruppenzugehörigkeit und des restlichen Studienhintergrunds verblindet. Die Läsionen wurden mit einer Software analysiert und gemäß der SCCT-Richtlinien von 2016 auf ihre Lage und Zusammensetzung, den Stenosegrad und die Vulnerabilität (positives Remodeling, Plaque mit geringer Dämpfung, fleckige Verkalkung und Serviettenring-Zeichen) hin untersucht.

Besonders die Einteilung in ausschließlich verkalkte oder nicht verkalkte sowie gemischt verkalkte Plaques war von Bedeutung. Während verkalkte Plaques stabiler und weniger rupturanfällig sind und als gutartig gelten, stuft man gemischte und besonders nicht verkalkte koronare Plaques innerhalb der Arteriosklerose als alarmierend und gefährlich ein.

Die Ergebnisse zeigen, dass lebenslanges Ausdauertraining zusätzlich zu einem gesunden Lebensstil keine günstigeren Plaques bedingt. Im Gegenteil wurde eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Ausdauertraining und ungünstigen koronaren Plaques festgestellt, die möglicherweise umgekehrt J-förmig ist: In der Gruppe der lebenslangen Ausdauersportler fand man einen größeren Anteil proximaler Plaques und Läsionen mit signifikanter Stenose sowie Plaques mit nicht verkalkter und gemischter Zusammensetzung als bei fitten, gesunden Männern mit vergleichbar geringem Risikoprofil. Gerade diese Merkmale aber sind etablierte Risikofaktoren für ischämische Herzerkrankungen.

Während nach möglichen Ursachen wie einer erhöhten Protein- und Kalorienzufuhr oder der Rolle der ausgeübten Sportart gerätselt wird, wird gleichzeitig der Ruf nach Längsschnittstudien laut, um diesem seltsamen Phänomen bei der Entstehung koronarer Arteriosklerose auf die Spur zu kommen.

■ Herling S

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Quellen:

  1. De Bosscher R and others, on behalf of Master@Heart Consortium. Lifelong endurance exercise and its relation with coronary atherosclerosis. Eur. Heart J. 2023; 44, 26: 2388–2399. doi:10.1093/eurheartj/ehad152