Finite-Elemente-Model (FEM) sagt posttraumatisches Arthroserisiko voraus
Verletzungen des Kniegelenks, vor allem Rupturen des vorderen Kreuzbands, sind unter Athletinnen und Athleten häufig. Um eine im Leistungssport unabdingbare möglichst vollständige Wiederherstellung der Gelenkstabilität zu erreichen, werden derartige Verletzungen deshalb meist operativ mit einem Transplantat versorgt. Trotz modernster Operationsmethoden und intensiver Rehabilitation sind posttraumatische Arthrosen leider nicht auszuschließen. Hilfreich wäre es, das individuelle Risiko solcher posttraumatischer Gonarthrosen vorab berechnen zu können, weil man dann Rehabilitationsprotokolle und Return-to-Play darauf abrichten könnte. Aus diesem Grund haben Wissenschaftler der University of Eastern Finland zusammen mit anderen internationalen Universitäten ein Computermodell entwickelt, mit dem sich das Risiko arthrotischer Veränderungen nach konservativ oder operativ behandelten Bandverletzungen berechnen und lokalisieren lässt. Die Ergebnisse der Proof-of-Concept-Studie wurden in der Zeitschrift „Clinical Biomechanics“ veröffentlicht.
Der Untersuchung legte man die Annahme zugrunde, dass der Knorpel in einem verletzten Gelenk auf längere Sicht arthrotisch degeneriert – entweder durch z. B. scherkraftbedingte übermäßige Gewebebelastung, die zum Abbau der Kollagenfibrillen führt, oder durch einen verformungsbedingten Proteoglykanverlust. Die betreffenden Areale wurden bei zwei Individuen ein Jahr nach der Kreuzband-Rekonstruktion mittels Finite-Elemente-Model (FEM) aus relevanten MRT-Parametern vorhergesagt. FEM ist eine rechnergestützte Simulationsmethode, die v.a. für Festigkeits- und Verformungsuntersuchungen von Festkörpern mit geometrisch komplexer Form verwendet wird.
Weitere zwei Jahre später setzten die Forscher den Daten der Erstberechnung die Ist-Daten des aktuellen MRT entgegen, um zu sehen, ob die Arthrose wie erwartet vorangeschritten war. Das Ergebnis: Mit einem rechnerisch vergleichsweise einfachen Finite-Elemente-Model, angewendet auf individuelle Kniegeometrie und Bewegungsparameter, ließen sich arthroseanfällige Bereiche gut identifizieren.
Die Studienautoren können sich vorstellen, dass ihr Modell sich in der Praxis unter anderem für die Entscheidungsfindung pro oder contra operative Kreuzband-Rekonstruktion im Einzelfall eignet. In jedem Fall kann die patientenindividuelle Rehabilitationsplanung von solchen Vorhersagen nur profitieren. Weitere Test- und Messreihen sollen jetzt dazu beitragen, die Degenerationsparameter weiter zu verfeinern.
■ Lilian Kura
Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!
Quellen:
Bolcos PO, Mononen ME, Tanaka MS, Yang M, Suomalainen JS, Nissi MJ, Töryräs J, Ma B, Li X, Korhonen RK. Identification of locations susceptible to osteoarthritis in patients with anterior cruciate ligament reconstruction: Combining knee joint computational modelling with follow-up T1ρ and T2 imaging. Clinical Biomachanics. 2019; Online 09.11.2019. doi:10.1016/j.clinbiomech.2019.08.004