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Fortsetzung Atemtraining: bessere Leistung durch sparsameres Atmen?

Atemtraining für verschiedene Zwecke

Im Sport werden normalerweise automatisch an die Belastung angepasste Änderungen der Atmung vorgenommen. Während bei Ausdauerbelastungen gleichmäßig tief geatmet wird, nutzen Kraftsportler die Pressatmung, um den Brustkorb bei hohen Gewichten zu stabilisieren. Bestimmte Sportarten wie Rudern, Schwimmen oder Biathlon erfordern jedoch vorgegebene Atemrhythmen.

Neben den bereits genannten Methoden können Atemtechniken auch in der Regeneration, zur Verbesserung der Entspannung und des Schlafs, zur Regulation von Aufregung und zur Förderung der Konzentration eingesetzt werden. Dazu eignen sich alle Techniken, die den Parasympathikus über den Vagusnerv aktivieren. Dieser reicht vom Stammhirn ausgehend entlang der Halsschlagadern hinter das Brustbein und über die unteren Lungenlappen bis in den Bauchraum. Durch langsame tiefe Atmung kann er aktiviert werden und zu Entspannung führen. Achtsamkeitsmeditationen, die sich auf den Atem fokussieren, greifen darauf zu. Entspannungsfördernd ist etwa eine längere Aus- als Einatmung bei tiefer Bauchatmung (z. B. 4-7-8-Atmung). Neben seelischer Beruhigung wirken diese Techniken auch auf den Körper: Blutdruck und Herzfrequenz sinken, die Herzratenvariabilität steigt. Um trotz Entspannung die Konzentration hoch zu halten, beispielsweise in Wettkampfsituationen, nutzen viele Athleten das Box Breathing, auch Kastenatmung genannt (8). Dabei wird auf vier Zählschritte eingeatmet, vier Zählschritte lang die Luft angehalten, vier Zählschritte ausgeatmet und vier Zählschritte die Luft angehalten. Dann beginnt der Zyklus von vorne. Im Yoga, Qi Gong oder Tai Chi existieren zahlreiche weitere Atemtechniken, denen verschiedene Wirkungen zugeschrieben werden.

Doch nicht nur der Parasympathikus kann durch Atmung gezielt angesteuert werden. Das funktioniert auch mit dem Sympathikus, der evolutionär gesehen für Kampf- und Fluchtreaktionen zuständig ist. Auf den ersten Blick erscheint es nicht sinnvoll, das Stresssystem des Körpers willentlich zu aktivieren. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich hingegen, dass damit durchaus wünschenswerte Effekte erzeugt werden können. Die Tummo-Atmung etwa, die zu Recht den Namen »Meditation des inneren Feuers« trägt und von tibetischen Mönchen seit rund 1000 Jahren praktiziert wird, um in kalten Gegenden Auskühlung zu verhindern, aktiviert gezielt den Sympathikus (1). Etwas modifiziert hat sie der Niederländer Wim Hof bekannt gemacht, der ein ganzes Geschäftsmodell darauf aufgebaut hat. Im Kern wird bei der Tummo- oder Wim-Hof-Atmung über 30 Atemzüge intensiv ein- und passiv ausgeatmet (Hyperventilation), gefolgt von einer möglichst langen Phase des Luftanhaltens. Diese Serie wird mindestens dreimal wiederholt. Der Wechsel aus schneller Atmung und Luftanhalten ist ein Stressreiz, der das sympathische Nervensystem aktiviert: Adrenalin, Kortisol und Noradrenalin werden ausgeschüttet. Spannenderweise aktiviert dieser freiwillig gewählte Stress auch stark das Immunsystem (12).

Die Atmung ist viel mehr als ein biochemischer oder rein physiologischer Vorgang, um die Körperzellen mit Sauerstoff zu versorgen. Die westliche Medizin und auch der Sport schenken den Effekten, die durch willentliche Atmungssteuerung und gezieltes Atemtraining zu erzielen sind, noch wenig Aufmerksamkeit. In manchen Bereichen ist die Evidenzbasis noch mäßig. Doch einige Studien konnten bereits zeigen, was mit Atmung alles möglich ist. Es lohnt sich, zu experimentieren.

■ Hutterer C, Böning D, Schmidt W

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Quellen:

  1. Amihai I, Kozhevnikov M. The Influence of Buddhist Meditation Traditions on the Autonomic System and Attention. Biomed Res Int. 2015; 731579. doi:10.1155/2015/731579

  2. Bussotti M, Di Marco S, Marchese G. Respiratory disorders in endurance athletes - how much do they really have to endure? Open Access J Sports Med. 2014; 5: 47-63. doi:10.2147/OAJSM.S57828

  3. Buteyko K. Zusammenstellung von Buteykos Schriften. [aufgerufen: 27.06.2022]

  4. Cooper S, Oborne J, Newton S, Harrison V, Thompson Coon J, Lewis S, Tattersfield A. Effect of two breathing exercises (Buteyko and pranayama) in asthma: a randomised controlled trial. Thorax. 2003; 58: 674-679. doi:10.1136/thorax.58.8.674

  5. Curley G, Laffey JG, Kavanagh BP. Bench-to-bedside review: carbon dioxide. Crit Care. 2010; 14: 220. doi:10.1186/cc8926

  6. Eberlein M, Reed RM, Bolukbas S, Parekh KR, Arnaoutakis GJ, Orens JB, Brower RG, Shah AS, Hunsicker L, Merlo CA. Lung size mismatch and survival after single and bilateral lung transplantation. Ann Thorac Surg. 2013; 96: 457-463. doi:10.1016/j.athoracsur.2013.04.064

  7. Fahrizal D, Budi TS. The Effect of Buteyko Breathing Technique in Improving Cardiorespiratory Endurance. The 3rd International Conference on Science, Technology, and Humanity. 2017. ISSN: 2477-3328

  8. Hunt MG, Rushton J, Shenberger E, Murayama S. Positive Effects of Diaphragmatic Breathing on Physiological Stress Reactivity in Varsity Athletes. J. Clin. Sport Psych. 2018; 12: 1-12. doi:10.1123/jcsp.2016-0041

  9. Idiag AG. [aufgerufen: 14.05.2022]

  10. Jones M, Harvey A, Marston L, O'Connell NE. Breathing exercises for dysfunctional breathing/hyperventilation syndrome in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2013: CD009041. doi:10.1002/14651858.CD009041

  11. Kannel WB, Hubert H, Lew EA. Vital capacity as a predictor of cardiovascular disease: the Framingham study. Am Heart J. 1983; 105: 311-315. doi:10.1016/0002-8703(83)90532-x

  12. Kox M, van Eijk LT, Zwaag J, van den Wildenberg J, Sweep FC, van der Hoeven JG, Pickkers P. Voluntary activation of the sympathetic nervous system and attenuation of the innate immune response in humans. Proc Natl Acad Sci U S A. 2014; 111: 7379-7384. doi:10.1073/pnas.1322174111

  13. Langewitz WA, Schaefert R. Hyperventialtion und dysfunktionelle Atmung. Swiss Med Forum. 2019; 19: 749-752. doi:10.4414/smf.2019.08393

  14. Lemaître F, Seifert L, Polin D, Juge J, Tourny-Chollet C, Chollet D. Apnea training effects on swimming coordination. J Strength Cond Res. 2009; 23: 1909-1914. doi:10.1519/JSC.0b013e3181b073a8

  15. Prem V, Sahoo RC, Adhikari P. Comparison of the effects of Buteyko and pranayama breathing techniques on quality of life in patients with asthma - a randomized controlled trial. Clin Rehabil. 2013; 27: 133-141. doi:10.1177/0269215512450521

  16. Ritz T, Meuret AE, Wilhelm FH, Roth WT. Changes in pCO2, symptoms, and lung function of asthma patients during capnometry-assisted breathing training. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2009; 34: 1-6. doi:10.1007/s10484-008-9070-1

  17. Schünemann HJ, Dorn J, Grant BJ, Winkelstein W Jr, Trevisan M. Pulmonary function is a long-term predictor of mortality in the general population: 29-year follow-up of the Buffalo Health Study. Chest. 2000; 118: 656-664. doi:10.1378/chest.118.3.656

  18. Son H, Jeon Y, Kim H. Effects of Static Apnea Training on Pulmonary Function, Blood Lactate Response and Exercise Performance of Elite Swimmers. Exerc.Sci. 2020; 29: 272-280. doi:10.15857/ksep.2020.29.3.272

  19. Thomas M, McKinley RK, Freeman E, Foy C, Price D. The prevalence of dysfunctional breathing in adults in the community with and without asthma. Prim Care Respir J. 2005; 14: 78-82. doi:10.1016/j.pcrj.2004.10.007