Viele Beschwerden junger Spitzensportlerinnen sind vermeidbar
Unter jungen Spitzensportlerinnen ist die Prävalenz von Brustverletzungen, Harninkontinenz, Sattelschmerzen sowie Menstruationsbeschwerden hoch. Nur eine Minderheit (23,8 Prozent) spricht jedoch mit Trainern, anderen Betreuern oder auch Angehörigen darüber, wie eine aktuelle Befragung aus den Niederlanden zeigt. Dadurch haben die Athletinnen psychisch wie physisch Nachteile. Die Studienautoren fordern, dass sich das ändern soll – durch Kommunikations- und Präventionsangebote in Trainingszentren (1).
105 Sportlerinnen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, die regemäßig in einem niederländischen olympischen Trainingszentrum trainieren, nahmen an der Onlinebefragung teil. Sie üben unterschiedlichste Sportarten aus mit dem Ziel, sich für Olympia oder die Paralympics zu qualifizieren, 63,8 Prozent in einem Ballsport. 92 der Frauen (87,6 Prozent) gaben an, eine oder mehrere der genannten Beschwerden aus persönlicher Erfahrung zu kennen.
Zwei Drittel der Teilnehmerinnen (65,7 Prozent) gaben an, aktuell unter Sattelschmerzen zu leiden oder diese in der Vergangenheit verspürt zu haben. Auch jene Frauen, die keinen Radsport ausüben, waren davon häufig betroffen – vermutlich, weil sie viel auf dem Ergometer oder Spinning-Bike sitzen. Auf Platz zwei der Beschwerden lagen mit der Monatsblutung einhergehende Beschwerden: 57,7 Prozent der Athletinnen gaben an, sich während dieser Zeit unter anderem durch Schmerzen, Stimmungsschwankungen oder Müdigkeit beeinträchtigt zu fühlen. Nur 6,7 Prozent fühlten sich während dieser Tage stärker. 29,5 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, beim Sport schon unkontrolliert Harn verloren zu haben; 29 Prozent von ihnen fühlten sich dadurch im Sport beeinträchtigt. 21 Prozent berichteten von anderen Beckenbodenproblemen, die sie z. B. beim Stuhlgang oder Koitus belasteten. Mastalgie und durch Sport ausgelöste Brustschmerzen betrafen ebenfalls viele Athletinnen: 29,5 Prozent der Befragten hatten Mastalgie und 15,2 Prozent gaben an, mindestens einmal eine Brustverletzung (z. B. Abschürfungen, Kratzer oder Prellungen) erlitten zu haben. Sechs der Verletzten gaben an, dadurch beim Sport abgelenkt oder irritiert gewesen zu sein.
Nach Vertrauenspersonen befragt, gaben nur 23,8 Prozent der Spitzensportlerinnen an, die genannten Beschwerden mit ihrem Trainer, Sportarzt, einer anderen Betreuungsperson oder Angehörigen zu diskutieren. So blieben die Beschwerden unbemerkt oder wurden zumindest nicht angesprochen. Harninkontinenz, Brustverletzungen, Beckenbodenprobleme und Sattelschmerzen wurden nach Angaben der Teilnehmerinnen besonders selten erwähnt. Als Gründe gaben die Athletinnen an, dass männliche Experten diese Probleme nicht verstünden oder dass sie sich schämten, mit einem Mann darüber zu sprechen.
Die Krux dabei: Viele dieser Beschwerden könnten im Trainingszentrum verhindert oder gelindert werden. Besonders gut erforscht ist dies in Bezug auf Menstruationsbeschwerden. Studien legen nahe, dass es sinnvoll ist, Trainingsprogramme auf die verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus abzustimmen (2) – mit Rücksicht auf die Bedürfnisse jeder Athletin. 6,7 Prozent der Studienteilnehmerinnen gaben an, dies bereits zu tun. 14,3 Prozent berichteten zudem, ihre Menstruation in den letzten sechs Monaten hormonell verschoben oder unterdrückt zu haben – 60,0 Prozent wollten damit verhindern, dass ihre Regelblutung mit Turnieren, wichtigen Spielen oder Trainingseinheiten zusammenfällt.
Der Beckenboden lässt sich mit leicht ins Aufwärmprogramm integrierbaren Übungen effektiv stärken, sodass Beschwerden wie Harninkontinenz abklingen können (3). Gegen Sattelschmerzen können Anpassungen des Fahrrads bzw. Ergometers und des Sattels helfen und Brustschmerzen können mit gut sitzenden Sport-BHs minimiert werden. Damit dies geschieht, betonen die Studienautoren, muss fortan vor allem ein Punkt verbessert werden: die Kommunikation in den Trainingszentren.
Die Studienautoren schlugen vor, dass Trainingszentren mehr Personen – bevorzugt Frauen – dazu ausbilden, vor Ort mit Spitzensportlerinnen zu arbeiten und eine offenere Gesprächskultur zu etablieren. An der Kommunikation müsse ebenso gearbeitet werden wie an Angeboten zur Prävention, frühen Diagnostik und Therapie der genannten Beschwerden. Wer mädchen- und frauentypische Beschwerden im habe, schaffe ein inklusives Umfeld und trage dazu bei, dass Sportlerinnen sich besser fühlen – und in ihrem Sport besser werden.
■ Plaum P
Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!
Quellen:
De Jager E, Willemsen M, Kempe M, Janssen I. Breaking barriers: Exploring female-specific health challenges affecting performance in an elite multisport training environment. J Sci Med Sport. 2024; 27: 466-471. doi: 10.1016/j.jsams.2024.04.011
McNulty KL, Elliott-Sale KJ, Dolan E, Swinton PA, Ansdell P, Goodall S, Thomas K, Hicks KM. The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med. 2020; 50: 1813-1827. doi:10.1007/s40279-020-01319-3
Mørkved S, Bø K, Fjørtoft T. Effect of adding biofeedback to pelvic floor muscle training to treat urodynamic stress incontinence. Obstet Gynecol. 2002; 100: 730-739. doi:10.1016/s0029-7844(02)02160-9