Training und Coaching von weiblichen vs. männlichen Athleten auf ihrem Weg zu Gold? Einschätzungen erfolgreicher Trainer von Eliteathleten

Training und Coaching von weiblichen vs. männlichen Athleten auf ihrem Weg zu Gold? Einschätzungen erfolgreicher Trainer von Eliteathleten
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Design und Ziel der Studie

Dieser wissenschaftliche Kurzreport führt eine qualitative interviewbasierte Analyse der Wahrnehmung und Erfahrungen erfolgreicher Trainer betreffend geschlechtsbezogener Unterschiede im Training von und Umgang mit Eliteathleten in Ausdauersportarten durch.

Methoden

Zehn männliche norwegische Trainer mit weitreichender Erfahrung im Training von weiblichen und männlichen Weltklasseathleten (269 Medaillen bei Olympischen Spielen, sowie Welt- und Europameisterschaften) in den Sportarten Laufen, Radfahren, Biathlon, Ski-Langlauf, Schwimmen und Eislaufen machten Angaben im Rahmen semi-strukturierter Interviews.

Ergebnisse und Diskussion

Die induktive thematische Analyse erbrachte, dass alle Coaches die Trainingsprinzipien und –praktiken primär nach individuellen Gesichtspunkten und weniger auf Basis des Geschlechts angepasst haben. Dieser vom Trainer gesteuerte und auf den Athleten fokussierte Prozess zeigte sich essenziell um gegenseitiges Vertrauen, Zusammenarbeit und eine optimale Trainingsgestaltung zu gewährleisten. Potenzielle Geschlechterunterschiede wurden bei vier Hauptkategorien ersichtlich: wettkampfspezifische Erwartungen, physiologische, psychologische und interpersonelle Faktoren (z. B. Geschlecht des Trainers). Alle Coaches beschrieben, wie sich weibliche und männliche Sportler unterscheiden und es deutete sich eine Wahrnehmung der männlichen Physiologie und Psychologie als «Norm» beziehungsweise «Referenz» an. Gesellschaftliche Faktoren wurden in diesem Kontext als Verstärker angesehen, beispielsweise eine männlich-dominierte Sportkultur und Geschlechterstereotype.

Methodische Limitationen

Diese Studie trägt zu einem umfassenden Verständnis der trainings- und coachingbezogenen Ansichten erfolgreicher männlicher Trainer von Individualsportlern bei. Die Identifizierten geschlechtsbezogenen Unterschiede bieten Ansatzpunkte für tiefergehende Untersuchungen in den entsprechenden Disziplinen, z.B. der Trainingswissenschaften, Physiologie, Psychologie und Soziologie, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu untersuchen.

Praktische Schlussfolgerungen

– Erfolgreiche Trainer adaptieren ihre klar definierte Trainingsphilosophie mehr in Bezug auf den/die individuellen Athleten/-in, als auf das Geschlecht. Die Trainingsgestaltung erfolgt auf der Basis einer detaillierten Analyse physiologischer und psychologischer Profile im Kontext der sportartspezifischen Herausforderungen. Potenzielle Geschlechterunterschiede treten im Rahmen dieses Prozesses zutage.

– Die Grundlage einer guten Trainer-Athleten-Beziehung sind Vertrauen und gegenseitiges Verständnis. Interpersonelle Faktoren und das Geschlecht des Trainers können einen Einfluss haben und die Entwicklung einer guten Trainer-Athletin Beziehung zwischen männlichen Trainern und weiblichen Athleten bedarf unter Umständen mehr Zeit.

– Alle befragten Trainer gaben differenzierte Angaben zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Training und Coaching ihrer Athleten und es zeigte sich dabei, dass die männlichen Athleten als Referenz wahrgenommen wurden und deren physiologische und psychologische Aspekte als «Norm». Unser Report verdeutlicht somit die Notwendigkeit, die weibliche Perspektive im Sport zu erkennen und stärker zu berücksichtigen.

■ Bucher Sandbakk S, Tønnessen E, Haugen T, Sandbakk Ø