OP oder Physio bei traumatischer Supraspinatussehnen-Ruptur?

OP oder Physio bei traumatischer Supraspinatussehnen-Ruptur?
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Bei vielen typischen Sportverletzungen stellt sich die Frage, ob man lieber operieren sollte oder ob der Schaden auch unter konservativer Behandlung gut ausheilt. Eine dieser Verletzungen sind kleinere bis mittelschwere Rupturen der Rotatorenmanschette, insbesondere wenn die Supraspinatussehne betroffen ist. Hier haben in der Vergangenheit mehrere Studien belegt, dass eine operative Rekonstruktion hinsichtlich Funktion und Schmerzerleben gegenüber physiotherapeutischem Vorgehen kaum Vorteile bringt. Können sich Athletinnen und Athleten mit Supraspinatussehnen-Ruptur also eine Operation sparen? Nur bedingt, sagen jetzt schwedische Wissenschaftler. Sie haben die bisherigen Studien unter dem Gesichtspunkt betrachtet, was genau jeweils zur Ruptur geführt hat – und herausgefunden, dass beinahe alle inkludierten Fälle degenerativer Natur waren. Tatsächlich waren diese im Jahresmittel unter alleiniger anschließender Physiotherapie annähernd ebenso gut ausgeheilt wie nach arthroskopischer Rekonstruktion, gefolgt von Physiotherapie.

Was aber, wenn die Schulter vor dem traumatischen Ereignis gesund oder gar gut trainiert war? Diesen neuen Betrachtungswinkel eröffneten die Autoren der Linköping University mit einer neuen randomisierten Studie (1). Untersucht wurden 58 Patienten (Durchschnittsalter: 59,7 Jahre) mit durchschnittlich knapp 10 mm langen Rissen der Supraspinatussehne. 26 von ihnen erhielten nach initialer Schonung ausschließlich Physiotherapie, die restlichen 32 wurden arthroskopisch operiert. Der Follow-up-Zeitraum betrug wie auch bei den vorhergegangenen Studien 12 Monate. Per MRT wurden Rerupturraten, Rupturprogression, Atrophie und Fett-Infiltrationen vermessen. Nach Ablauf des Einjahres-Follow-ups zeigte sich im primären Constant-Murley-Score (max. 100) für die Physiotherapie-Gruppe ein Wert von 78, für die OP-Gruppe ein Wert von 83; dieser Unterschied ist nicht signifikant. Der sekundäre Western Ontario Rotator Cuff Index war mit 86 Prozent für die Physiotherapie-Gruppe und 91 Prozent für die OP-Gruppe ebenfalls nicht signifikant, ebenso wie der Euro quality-of-life-VAS (82 zu 84) und die numerische Rating-Skala (1,8 zu 1,3).

Diese Zahlen könnte man als Bestätigung der Vorgänger-Studien sehen – wären da nicht die Faktoren „Rerupturrate“ und „Rupturprogression“. Hier nämlich traten in der MRT-Kontrolle nach 12 Monaten bei der Physiotherapie-Gruppe immerhin 29 Prozent (7 von 24) Rupturprogressionen von bis zu 5 mm auf, in der OP-Gruppe hingegen erlitten nur 6,5 Prozent (2 von 31) eine erneute Ruptur.

Die Autoren geben deshalb zu bedenken, dass bei traumatisch bedingter, leichter bis mittelschwerer Supraspinatussehenen-Ruptur die kurzfristigen Ergebnisse beider Behandlungsansätze zwar ähnlich sind. Im langfristigen Verlauf könnte jedoch die operative Rekonstruktion vorne liegen, weil fortschreitende Rupturen unwahrscheinlicher sind. Weitere Studien mit größeren Teilnehmerzahlen und längeren Follow-up-Zeiträumen sind deshalb anzustreben.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Ranebo MC, Björnsson Hallgrenm HC, Holmgren T, Adolfsson LE. Surgery and physiotherapy were both successful in the treatment of small, acute, traumatic rotator cuff tears: a prospective randomized trial. J Shoulder Elbow Surg. 2020; 29(3): 459-470. doi:10.1016/j.jse.2019.10.013