Management von Hamstring-Verletzungen bei Sportlern

Management von Hamstring-Verletzungen bei Sportlern
© Davizro Photography / Adobe Stock

Hamstring-Verletzungen sind unter Sportlern häufig und gehen mit einem langen Heilungsprozess und häufigen Rezidiven einher. Die Frage nach dem besten Behandlungsschema ist also besonders drängend – dennoch lässt sie sich bis heute nicht eindeutig beantworten. Zur aktuellen Evidenz lohnt sich ein genauerer Blick auf zwei systematische Reviews der letzten Jahre (1, 2).

Nicht alle Hamstring-Verletzungen sind gleich

Nicht zuletzt wegen den komplexen anatomischen und biomechanischen Eigenschaften stellen Hamstring-Verletzungen eine Herausforderung im klinischen Alltag dar. Eine häufig angewandte und bewährte Unterteilung erfolgt zwischen Verletzungen des Muskelursprungs (im Folgenden: ‚proximale Verletzungen‘) und des Muskelbauchs (im Folgenden ‚distale Verletzungen‘). Erstere treten häufig bei Patienten mittleren Alters auf und gehen vermehrt mit einem schweren Verlauf mit Komplikationen einher, wie potentieller Schädigung des Ischias-Nervs oder allgemeiner postinterventioneller Schwäche. Distale Verletzungen betreffen insbesondere jüngere, sportlich aktive Patienten und präsentieren sich initial meist mit milderer Symptomatik und geringerer Einschränkung. Langfristig betrachtet weisen sie eine höhere Rezidivrate auf.

Hamstring-Verletzungen können unabhängig von ihrer Lokalisation unterschiedlich schwer ausfallen und werden dementsprechend in drei Grade eingeteilt:

  • Grad I: leichte Verletzung der Muskelfasern
  • Grad II: teilweiser Einriss mit einhergehender Schwellung
  • Grad III: komplette Riss des Muskels mit Bewegungseinschränkungen und plötzlich auftretenden, starken Schmerzen

Viele Wege führen zum Ziel – doch welcher Weg ist der sicherste?

Da kein einheitlicher, standardisierter Behandlungsansatz für die Gruppe der Hamstring-Verletzungen existiert, unterscheiden sich individuell gewählte Verfahren entsprechend der Lokalisation und Schwere der Beeinträchtigung sowie den individuellen Ansprüchen der Patienten. Allen Ansätzen gemein ist die Behandlung mittels Physiotherapie und gegebenenfalls zusätzlichen Interventionen. Diese reichen von chirurgischen oder medikamentösen Verfahren bis hin zur Kryotherapie oder Injektionen von thrombozytenreichem Plasma (Platelet-Rich Plasma, PRP).

Obwohl einige der untersuchten Studien zu unterschiedlichen Bewertungen bezüglich der verschiedenen Optionen kommen, scheinen sich doch einige relevante Schlüsse ziehen zu lassen. Bei der Behandlung proximaler Verletzungen erwiesen sich Ansätze mit chirurgischen Eingriffen als eindeutig überlegen gegenüber rein konservativen Maßnahmen. Betroffene profitierten sowohl unmittelbar postoperativ als auch langfristig von einem stärkeren Rückgang von funktioneller Einschränkung, Schmerzen und Kraftverlust.

Bei der Behandlung distaler Verletzungen zeigten sich exzentrische Physiotherapie-Programme und das spezielle Programm zur progressiven Beweglichkeits- und Stabilitätsförderung des Körperstamms (progressive agility and trunk stabilization, PATS) als überlegen. Diese Maßnahmen übertreffen konventionelle Physiotherapieverfahren deutlich in den Bereichen Heilungszeit, Rezidivwahrscheinlichkeit und Kraftverlust.

Möglichst früher Therapiebeginn zahlt sich aus

Bei allen Formen und Schweregraden von Hamstring-Verletzungen profitieren Patienten von möglichst frühem Therapiebeginn. Jeder Tag der anfänglichen Immobilisation verlängert die Zeit bis zur vollständigen Genesung. Kryotherapie und NSAR lindern Schmerzen und Schwellungen, besonders in Kombination mit Physiotherapie. Nur bei den PRP-Injektionen lässt sich bisher kein eindeutiges Fazit ziehen. Einige Studien zeigen Vorteile in Verbindung mit PATS, während andere keinen signifikanten Unterschied zu Placebo-Injektionen feststellen. Angesichts dieser Ergebnisse empfiehlt sich weiterhin eine Kombination aus zielgerichteter, individualisierter Physio- und Trainingstherapie, ergänzt durch auf Patientenprofil und Verletzungsmuster abgestimmte Verfahren.

■ Taylan Y, Hutterer C

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Quellen:

  1. Poursalehian M, Lotfi M, Zafarmandi S, Arabzadeh Bahri R, Halabchi F. Hamstring Injury Treatments and Management in Athletes: A Systematic Review of the Current Literature. JBJS Rev. 2023; 20. doi:10.2106/JBJS.RVW.23.00161

  2. Rudisill SS, Kucharik MP, Varady NH, Martin SD. Evidence-Based Management and Factors Associated With Return to Play After Acute Hamstring Injury in Athletes: A Systematic Review. Orthop J Sports Med. 2021; 29. doi:10.1177/23259671211053833.