Lumbaler Rückenschmerz: individualisierte Physiotherapie wirksamer
Lumbaler Rückenschmerz im Rahmen einer multimodalen Therapie wird üblicherweise auch physiotherapeutisch behandelt. Bisher ist aber noch nicht ganz geklärt, welche Art von Training bei dieser Art von Rückenschmerz am effektivsten ist. Standardisierte Kraft-/Beweglichkeitstrainings etwa berücksichtigen individuelle Einschränkungen der Patienten im Alltag nur am Rande. Auf diese Weise können hilfreiche, korrigierende Bewegungen im Alltag nur schwer umgesetzt beziehungsweise nicht in ausreichendem Maße umgesetzt werden. Deshalb ist eine Studiengruppe an der Washington University in einer einfach verblindeten, randomisierten Studie der Frage nachgegangen, ob eine individuelle Anpassung der Physiotherapie an typische Alltagsbewegungen der Patienten bessere Outcomes erzielen kann.
Ziel: Verbesserung von Funktion und Lebensqualität
An der Studie nahmen insgesamt 149 Patienten im Alter zwischen 18 und 60 Jahren teil, davon 91 Frauen. Einschlusskriterium war ein nichtspezifischer lumbaler Rückenschmerz über eine Dauer von mindestens 12 Monaten. Skelettale Schäden, neurologische Erkrankungen sowie eine Vorgeschichte spinaler Verletzungen gehörten ebenso zu den Ausschlusskriterien wie ein BMI >30.
Nach zufälliger Einteilung in eine Interventions- und eine normale Trainingsgruppe absolvierte die normale Trainingsgruppe ein gängiges Stärke-/Beweglichkeitstraining (strength and flexibility exercise, SFE). Die Übungen der Interventionsgruppe wurden – unter Mitwirkung der Patienten selbst – ganz gezielt auf deren schmerzbedingte Einschränkungen im alltäglichen Bewegungspensum angepasst (motor skill training, MST). Trainiert wurde in beiden Gruppen sechs Wochen lang einmal wöchentlich eine Stunde lang unter Anleitung von Physiotherapeuten. Aus beiden Gruppen erhielt jeweils die Hälfte der Teilnehmenden nach Ablauf von sechs Monaten drei „Booster-Trainings“ zur Auffrischung. Während der gesamten Follow-up-Zeit waren die Patienten angehalten, die Übungen auch zuhause durchzuführen.
Als primäres Studienziel zogen die Studienautoren den Oswestry Disability Questionnaire (MODQ) heran. Er erhebt nach einem bestimmten Notenschema Aussagen zu maximal 10 verschiedenen Lebensbereichen, die sich zur Beurteilung der individuellen Funktionseinschränkung und der Lebensqualität eignen: Schmerzintensität, Körperpflege, Heben, Gehen, Sitzen, Stehen, Schlafen, Sexualleben (optional), Sozialleben und Reisen. 20 Prozent entsprechen einer leichtgradigen Funktionseinschränkung oder Behinderung, 100 Prozent einer vollständigen Bettlägerigkeit.
Zu Beginn des Trainingszeitraums lag der MODQ-Score aller Teilnehmenden bei 20 Prozent oder höher mit Einschänkungen in mindestens drei der Score-Bereiche.
Signifikant besser durch angepasstes Training
Die signifikant besseren Outcomes des angepassten MST zeigten sich zunächst direkt nach dem sechswöchigen Trainingszeitraum: Die Probanden gaben eine um durchschnittlich 7,9 Prozentpunkte bessere Funktion und Lebensqualität im Vergleich zur SFE-Gruppe an (95% CI; 4,7–11,0; P<0,001). Sechs Monate nach der Interventionsphase lag dieser Wert noch immer bei 5,6 Prozentpunkten (95% CI; 2,1–9,1) und nach einem Jahr bei 5,7 (95% CI; 2,2–9,1). Die Booster-Trainings hatten keinen Einfluss.
Um eine patientenspezifische „alltagstaugliche“ physiotherapeutische Strategie anbieten zu können, müssten Therapeuten spezielle Schulungen durchlaufen. Dies ist eine Herausforderung, die sich aber, gemessen an den positiven zu erwartenden Effekten, durchaus lohnen könnte.
■ Lilian Kura
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Quellen:
van Dillen LR, Lanier VM, Steger-May K et al.: Effect of Motor Skill Training in Functional Activities vs Strength and Flexibility Exercise on Function in People With Chronic Low Back Pain: A Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol 2020; online Dec 28: e204821. doi:10.1001/jamaneurol.2020.4821