Leistungsversagen unter Druck – was steckt dahinter?

Leistungsversagen unter Druck – was steckt dahinter?
© Alexis S/peopleimages.com / Adopbe Stock

Wenn Leistungsathleten unter extremem Druck versagen, spricht man von „Choking under pressure“. So kann es etwa passieren, dass der Elfmeter im Finale weit am Tor vorbeigeht oder einem Tennisspieler beim entscheidenden Aufschlag der Arm plötzlich bleischwer wird. Die Gründe für dieses Leistungsversagen unter Druck sind komplex und noch nicht vollständig untersucht. Mehrere aktuelle Studien befassen sich mit der Thematik und beleuchten dabei verschiedenste Aspekte.

Mentale Stärke und Leistungsversagen

Thiessen et al. haben in ihrer Übersichtsarbeit den Einfluss mentaler Stärke auf Choking-Erfahrungen im Sport unter die Lupe genommen (5). Als mentale Stärke definieren sie die Fähigkeit, gute Leistungen trotz Druck zu erbringen. Zum wahrgenommenen Druck gehören u. a. Zuschauer, das eigene sportliche Niveau, die Wichtigkeit des Wettkampfs, Perfektionismus, die Angst vor negativer Bewertung und weitere Faktoren. Diese können verhaltensassoziierte Reaktionen wie Befangenheit, Ablenkung oder Angst hervorrufen, die wiederum Anteil an einem plötzlichen Leistungsabfall haben.

Einer der zuverlässigsten Prädiktoren für Leistungsversagen ist Angst, wobei sich die beiden Hauptformen Eigenschaftsangst (trait anxiety = charakterbedingte Angstneigung) und Zustandsangst (state anxiety = situationsbedingte Angst) gegenseitig beeinflussen. Personen mit einem hohen Maß an Eigenschaftsangst tendieren z. B. dazu, in Drucksituationen Informationen ineffizienter zu verarbeiten, den Selbstfokus zu verlieren, in vermeidendes Bewältigungsverhalten zu verfallen oder aber zu hyperfokussieren, was wiederum ein Stocken eigentlich gut eingeübter Bewegungen hervorruft. Bisher kann die Anfälligkeit für Leistungsversagen nur mit dem Protokoll von Mesagno et al. gemessen und moduliert werden (4).

Es wird angenommen, dass mental stärkere Sportler weniger anfällig für Choking under pressure sind. Für die Studie machten 415 erwachsene Wettkampfathleten aus 39 verschiedenen Disziplinen per Fragebögen Angaben über ihr Selbstbewusstsein, ihre Neigung zu Sportangst und individuelle Bewältigungsstile. Die gängigsten Attribute mentaler Stärke wurden zusätzlich per Mental Toughness Index (MIT) abgefragt. Das Ergebnis: Mentale Stärke korrelierte signifikant mit Sportangst, dem differenziellen Bewältigungswert, dem Wert für Vermeidungsbewältigung sowie einem hohen Wettkampfniveau, jedoch nicht mit dem Selbstbewusstsein, der sportlichen Erfahrung und dem Geschlecht. In der Summe ergab sich, dass mentale Stärke nicht automatisch vor Choking-under-pressure-Erfahrungen schützt – ein Ergebnis, das interessante Fragen zur bisher angenommenen Beziehung zwischen den beiden Konzepten aufwirft.

Heimvorteil vs. Heimnachteil

In einer weiteren Arbeit untersuchten Büren et al., ob der Heimvorteil Mannschaften tatsächlich beflügelt oder vielleicht doch eher unter negativen Druck setzt. Hierfür zogen sie Statistiken von sogenannten „ghost games“ während der Corona-Pandemie sowie vergleichbarer Spiele vor heimischem Publikum heran (2). Tatsächlich lieferten die Teams in heimischer Kulisse bessere Gesamtleistungen ab als vor leeren Rängen. Bei Betrachtung einzelner Leistungsparameter, die zu Sieg oder Niederlage beitragen können – etwa der Anzahl der Sprints, der Gesamtlaufleistung der Spieler oder der Präzision von (Tor)Schüssen – zeigte sich, dass vor Heimpublikum mehr und weiter gelaufen wurde, Pässe und Torschüsse jedoch öfter am Ziel vorbeigingen. Mannschaften kämpfen also insgesamt härter, wenn sie sich live unter den Augen ihrer unterstützenden Fans wussten. Gleichzeitig scheint sich dieselbe Voraussetzung negativ auf die Geschicklichkeit auszuwirken.

Geschlechterunterschiede – wer steckt Druck besser weg?

In der Studie von Thiessen et al. (5) gab es keinen signifikanten Unterschied in der allgemeinen Prävalenz für Leistungsversagen zwischen männlichen und weiblichen Sportlern. Cohen-Zada et al. stellten bei der Analyse von 8280 vergangenen hoch dotierten Profi-Tennismatches fest, dass Männer Leistungsdruck signifikant mehr erliegen als Frauen, die selbst dann noch 50 Prozent weniger Leistungsabfall als ihre männlichen Kollegen aufwiesen, wenn sie in eine Choking-Situation gerieten (3). Bühring et al. untersuchten, ob es bei männlichen und weiblichen alpinen Skislalom-Läufern einen Unterschied macht, ob der eigene oder ein fremder Trainer den Parcours steckt (1). Die Ergebnisse zeigten, dass bei Frauen ein vom eigenen Trainer abgesteckter Slalom-Kurs die Wahrscheinlichkeit, den Lauf im zweiten Durchgang nicht zu beenden, um 3,5 Prozentpunkte verringerte, was auf eine Leistungssteigerung hindeutet.

Umgekehrt hatten Männer im gleichen Szenario eine höhere Wahrscheinlichkeit, aus dem Lauf auszuscheiden. Die Forscher führen diesen Unterschied auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Reaktion auf Erwartungen und Druck zurück, wobei Frauen offenbar vom Faktor Vertrautheit und dem potenziellen Vorteil eines vorliebenassoziiert gesteckten Parcous profitieren, während bei Männern möglicherweise genau dies den Druck erhöht, eine besonders gute Leistung erbringen zu müssen.

Fazit: Das Phänomen des „choking under pressure“ ist ein komplexes Zusammenspiel von psychologischen, sozialen und situativen Faktoren. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeiten könnten künftig das Training personalisieren oder um sportpsychologische Interventionen ergänzen und so unnötige Leistungseinbußen umgehen.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Bühren C, Gschwend M, Krumer A. Expectations, gender, and choking under pressure: Evidence from alpine skiing. Journal of Economic Psychology. 2024; 100, 1-11. doi:10.1016/j.joep.2023.102692

  2. Bühren C, Jung D: Performing without pressure? The effect of ghost games on effort- and skill-based tasks in the football Bundesliga. MAGKS Joint Discussion Paper Series in Economics. No. 27-2022

  3. Cohen-Zada D, Krumer A, Rosenboim M, Shapir O. Choking Under Pressure and Gender: Evidence from Professional Tennis. Behavioral & Experimental Economics eJournal. 2017; 61: 176-190. doi:10.1016/J.JOEP.2017.04.005

  4. Mesagno C, Marchant D, Morris T. A pre-performance routine to alleviate choking in “choking-susceptible” athletes. Sport Psychol. 2008: 22, 439–457. doi:10.1123/tsp.22.4.439

  5. Thiessen B, Blacker M, Sullivan P. Mental toughness and choking susceptibility in athletes. Front Psychol. 2024; 15: 1414499. doi:10.3389/fpsyg.2024.1414499