Ischämisches Preconditioning: Leistungssteigerung oder Placebo-Effekt?

Ischämisches Preconditioning: Leistungssteigerung oder Placebo-Effekt?
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Ischämisches Preconditioning (IPC) ist eine in den letzten Jahren vieldiskutierte Methode zur Leistungssteigerung im Sport. Das verwundert nicht, denn in den 22 Jahren seit der ersten klinischen Anwendung wurden in Studien akute Kraftsteigerungen von bis zu 20 Prozent beschrieben. Doch abgesehen von diesen Einzelfunden ergibt die Studienlage zu den erhofften positiven Effekten kein eindeutiges Bild. In bisherigen Übersichtsarbeiten wurden häufig zwar Effekte bei Interventions- und Placebo-Gruppen miteinander verglichen, ein zusätzlicher Abgleich mit Kontrollgruppen fehlte jedoch oft. Ein aktueller Review mit systematischer Meta-Analyse stellte sich deshalb nun nicht nur der Frage, ob IPC die sportliche Leistung im Vergleich zu Placebo verbessert, sondern untersuchte darüber hinaus auch, ob und wenn ja, welche Rolle ein Placebo-Effekt beim IPC im Vergleich zur Nicht-Intervention bieten könnte (1).

Ischämisches Preconditioning oder Placebo-IPC? Beides funktioniert!

Beim IPC wird normalerweise vor oder auch nach der sportlichen Belastung die lokale Blutzufuhr wiederholt unterbunden. Dabei werden Manschettendrücke von 10 mmHg über dem systolischen Blutdruck bis zu 300 mmHg und höher verwendet. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass sie in verschiedensten Sportarten und bei unterschiedlichen Intensitäten angewendet werden kann. Vermutete Wirkmechanismen sind das Anstoßen bestimmter humoraler Prozesse oder auch die lokale Aktivierung afferenter neurologischer Bahnen. Eine neuere Annahme basiert auf der sensorischen Verstärkung efferent-afferenter Mechanismen.

Dass ähnlich starke Kraftzuwächse und allgemeine Leistungssteigerung auch in Placebo-Gruppen beobachtet wurden, könnte allerdings auch auf einen kognitiven Effekt hinweisen. Denn auch bei Placebo-Gruppen wird, um den Probanden gegenüber eine IPC-Intervention vorzutäuschen, mittels mechanisch unwirksamer Manschettendrücke von etwa 20 mmHg ein Unterbinden der Blutzufuhr simuliert. In Übereinstimmung mit dieser Erwartung konnten auch in der vorliegenden Untersuchung die Placebo-Gruppen ähnliche Leistungssteigerungen verzeichnen wie die Interventionsgruppen. Tatsächlich unterschieden sich die Ergebnisse in manchen untersuchten Bereichen nicht signifikant voneinander.

Während man dies fälschlicherweise auf eine fehlende Wirksamkeit von IPC-Interventionen schieben könnte, interpretieren die Autoren diesen Fund allerdings eher als Hinweis darauf, dass Placebo-IPC möglicherweise über eine Erhöhung der Eigenerwartungen der Probanden ebenfalls moderat leistungssteigernd wirkt. Laut Autoren wäre die Placebo-Anwendung hier somit weniger als passive Kontrolle, sondern ebenfalls als eine Art aktive Intervention zu betrachten.

Geringe positive Effekte

Durch den Einbezug tatsächlicher Kontrollgruppen, bei denen keinerlei Manipulation mittels echter oder simulierter Unterbindung der Blutzufuhr durchgeführt wurde, erhofften sich die Autoren des vorliegenden Reviews nun weitere Erkenntnisse. Dazu werteten sie 79 randomisierte kontrollierte Studien aus, in denen die Effekte der IPC hinsichtlich relevanter sportlicher Parameter wie Kraft, Wiederholungszahl, Sauerstoffkapazität, Zeit bis zur subjektiven Erschöpfung und weiterer sportlicher Parameter sowohl mit Placebo- als auch Kontrollgruppen erfasst wurden.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Ischämisches Preconditioning nur geringe positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit hat. So stiegen die absolvierten Wiederholungen der Probanden bei IPC moderat, aber signifikant an, auch die Zeit bis zur Erschöpfung verbesserte sich geringfügig. Keinen Einfluss hatten Ischämisches Preconditioning oder Placebo-IPC auf die maximale Sauerstoffsättigung VO2max, die Herzfrequenz und die empfundene Anstrengung. Auch die Kraftwerte waren nicht besser als bei den Kontrollgruppen.

Die Meta-Analyse zeigt, dass – abgesehen vom teilweise hohen Risiko für Bias in den analysierten Studien – nur geringe Evidenz für Effekte von IPC besteht. Zwar führt die Anwendung von IPC zu Verbesserungen bestimmter Parameter im Vergleich zu Kontrollen ohne Intervention, aber im Vergleich mit Placebo-IPC schwinden die Unterschiede. Aus diesem Grund weisen die Autoren darauf hin, dass es sinnvoll sein könnte, die Entstehung von Placebo-Effekten und die Rolle von Placebo-Interventionen im Sport besser zu untersuchen und zu nutzen.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Souza HLR, Oliveira GT, Meireles A, Dos Santos MP, Vieira JG, Arriel RA, Patterson SD, Marocolo M. Does ischemic preconditioning enhance sports performance more than placebo or no intervention? A systematic review with meta-analysis. J Sport Health Sci. 2024; 12. doi:10.1016/j.jshs.2024.101010