Irisin: Könnte das »Sporthormon« Alzheimer stoppen?

Irisin: Könnte das »Sporthormon« Alzheimer stoppen?
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Dass Sport und Bewegung Demenzerkrankungen vorbeugen können, ist bekannt. Zuletzt häufen sich jedoch Hinweise auf die molekulare Ursache dafür: Irisin ist ein Protein (Myokin), das eigentlich von Muskelzellen während körperlicher Aktivität ausgeschüttet wird. Eine bereits 2019 veröffentlichte Arbeit bescheinigte dem Stoff aber auch eine protektive Wirkung gegen Alzheimer (1). Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen:

(I) Die Forscher entdeckten, dass die Spinalflüssigkeit (Liquor) von Alzheimerpatienten signifikant niedrigere Irisinwerte aufwies, als jene von gesunden Kontrollprobanden.

(II) Daraufhin wurden Laborratten die Hippocampi, also Gedächtniszentren, entnommen um sie mit einem typischen Alzheimerprotein, Beta-Amyloid (AβO), zu behandeln. Nach der Behandlung war Irisin an den Hippocampus-Zellen nur noch stark reduziert zu finden. Dieses Ergebnis wurde mit den Hippocampi verstorbener Alzheimerpatienten bestätigt.

(III) Als nächstes wurde Mäusen AβO injiziert, um Alzheimer zu erzeugen. Die Folge war eine länger anhaltende Reduktion von Irisin sowie Gedächtnisprobleme. Umgekehrt wurden bei jungen Mäusen, die genetisch so verändert waren, dass sie früh Alzheimer entwickeln, bereits im jungen Alter ein auffallend niedriger Irisinspiegel gefunden. Und: Eine periphere Injektion von Irisin beseitigte auch die Symptomatik von schon lange an Alzheimer erkrankten Mäusen.

(IV) Wenn bei Mäusen das Gen für die Irisinproduktion ausgeschaltet wurde, entwickelten diese Mäuse Probleme in Gedächtnistests, einhergehend mit vermindertem synaptischem Wachstum im Hippocampus.

(V) Gesunde Mäuse, bei denen die Irisinausschüttung erhöht wurde, bekamen keine Alzheimer-Symptomatik, als ihnen anschließend AβO injiziert wurde. Umgekehrt konnten Alzheimersymptome bei mehreren Kohorten erkrankter Tiere gestoppt werden, wenn ihnen Irisin injiziert wurde. Eine spätere Untersuchung der Hippocampi dieser eigentlich kranken Tiere, zeigte volle Funktion.

(VI) Zuletzt wurde geprüft, ob natürliches Irisin durch Sport eine Alzheimer Symptomatik mildern könne. Dazu wurden Mäuse in eine sportliche und eine unsportliche Gruppe eingeteilt. Die Sportgruppe schwamm eine Stunde pro Tag für fünf Tage pro Woche. Nach fünf Wochen wurde beiden Gruppen eine AβO Infusion verabreicht, um gezielt Alzheimer auszulösen. Das Resultat: die Mäuse in der Sportgruppe waren unauffällig in Gedächtnistests, im Gegensatz zu den unsportlichen Mäusen. Die Irisinspiegel unterschieden sich wie erwartet: erhöht in der sportlichen und vermindert in der unsportlichen Kohorte.

Bislang kennt Alzheimer keine Heilung, und man sollte keine voreiligen Schlüsse aus Tierstudien ziehen, zumal die Forschung an Irisin gerade erst begonnen hat. Sollten sich die Ergebnisse zu Irisin jedoch bestätigen, gäbe es nicht zuletzt wegen der vorbeugenden Wirkung gegen Alzheimer einen weiteren sehr guten Grund für regelmäßige körperliche Aktivität.

■ Wurzer D, Hutterer C

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Quellen:

  1. Lourenco MV, Frozza RL, de Freitas GB, Zhang H, Kincheski GC, Ribeiro FC, Gonçalves RA, Clarke JR, Beckman D, Staniszewski A, Berman H, Guerra LA, Forny-Germano L, Meier S, Wilcock DM, de Souza JM, Alves-Leon S, Prado VF, Prado MAM, Abisambra JF, Tovar-Moll F, Mattos P, Arancio O, Ferreira ST, De Felice FG. Exercise-linked FNDC5/irisin rescues synaptic plasticity and memory defects in Alzheimer's models. Nat. Med. 2019; 25: 165-175. doi:10.1038/s41591-018-0275-4