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Immunsystem und Sport – eine wechselhafte Beziehung

Editorial von Prof. Wilhelm Bloch aus der Ausgabe 10/2019 der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM). Der Wissenschaftler beleuchtet darin verschiedene Aspekte zum Thema „Immunsystem und Sport“. In Zukunft wird wichtig sein, die Mechanismen hinter der Wirkung von Sport auf das Immunsystem weiter zu entschlüsseln und daraus praktische und klinische Anweisung für einen das Immunsystem stärkenden Sport zu generieren.

Immunsystem und Sport – eine wechselhafte Beziehung
© ZEISS Microscopy on Visual Hunt / CC BY-NC-ND

In der klassischen Betrachtung hat Sport bzw. körperliche Aktivität einen wechselnden Einfluss auf das Immunsystem, was zur Definition der J-förmigen Beziehung zwischen körperlicher Aktivität/Sport und Immunsystem geführt hat. In dieser Vorstellung führt moderate körperliche Aktivität zur Stärkung des Immunsystems und hohe körperliche Aktivität schwächt das Immunsystem mit zunehmender Belastung zumindest akut.

Ein bei akuten oder chronischen Entzündungen aktiviertes Immunsystem führt andererseits in der Regel zu einer Reduktion der körperlichen/sportlichen Leistungsfähigkeit. Dies kann zumindest teilweise dadurch erklärt werden, dass sowohl das Immunsystem als auch der Sport hohe metabolische und hormonelle Belastungen für den Organismus mit sich bringen, die sich gegenseitig verstärken können. Diese einfache mechanistische Betrachtung hat sich in den letzten 25 Jahren substantiell angepasst.

Dabei sind es vor allem zwei Aspekte, die zu dieser Anpassung geführt haben. Zum Einen das grundsätzliche erweiterte Wissen um die Rolle des Immunsystems nicht nur als „Organ“ für die Abwehrfunktion des Körpers, sondern auch bei der Steuerung physiologischer und pathophysiologischer Prozess, die im Zusammenhang mit De- und Regeneration des Körpers, stehen. Zum Anderen die Erkenntnis, dass körperliche Aktivität bzw. Sport das Immunsystem nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und langfristig moduliert/reguliert und der Skelettmuskel hierbei als größtes „Organ“ des Körpers eine zentrale Rolle spielt. Daraus hat sich ein komplexeres Bild der wechselhaften Beziehung zwischen Immunsystem und Sport entwickelt, dem in diesem Sonderheft Rechnung getragen wird.

Im Mittelpunkt steht dabei eine aktuelle Übersicht über die Rolle von körperlicher Aktivität/Sport für die Immunfunktion, die ergänzt wird durch spezifische Betrachtungen der Bedeutung von körperlicher Aktivität/Sport bei der Modulation neuroinflammatorischer Prozesse, die eine wesentliche Rolle für neurodegenerative Erkrankungen spielen und dem Einfluss des Immunsystems bei der Muskelregeneration sowie dem Einfluss des Immunsystems bei Gelenkerkrankungen und der Nutzung von inflammatorischen Markern zur Beurteilung von Gelenkbelastung und -zustand. Bei der Betrachtung der wechselhaften Beziehung zwischen Immunsystem und Sport fehlt jedoch nicht der Aspekt aktiviertes Immunsystem bei Entzündungen und dessen Bedeutung für die sportliche Aktivität, und die damit verbundenen Konsequenzen für das Management von Sportlern.

Prof. Dr. Wilhelm Bloch 2. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Sportmedizin e.V.
Prof. Dr. Wilhelm Bloch, 2. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Sportmedizin e.V. © Bloch
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