Frozen Shoulder: Physiotherapie ist Kapsel-Release-OP annähernd gleichwertig
Wenn die Schulter so schmerzhaft „streikt“, dass Alltagstätigkeiten zur Tortur und manche Sportarten unmöglich werden, ist die Diagnose Frozen Shoulder bzw. adhäsive Kapsulitis meist nicht weit. Zur Debatte stehen dann gemeinhin drei unterschiedliche Behandlungsvarianten: spezielle Physiotherapie, die arthroskopische Lösung der geschrumpften Schulterkapsel (Arthrolyse per Elektrokauter) oder die Kapselmanipulation unter Anästhesie, jeweils optional ergänzt durch Steroidinjektionen. In Deutschland wird Betroffenen oft zur Kapsel-Release-OP geraten. Aber sind operative Verfahren wirklich notwendig und effektiv – oder überwiegen vielleicht doch die Risiken? Dieser Frage ist nun eine randomisierte britische Multicenter-Studie an der University of York nachgegangen (1).
Kriterien: Schmerz und Funktion
Die UK-FROST-Studie (UK Frozen Shoulder Trial) hat 503 Patienten mit sogenannter primärer oder idiopathischer Frozen Shoulder, also Schultersteife ohne ersichtlichen traumatischen Grund, über einen Zeitraum von einem Jahr begleitet. Per Zufallsprinzip wurden 201 von ihnen der Manipulations-Gruppe zugeteilt, 203 der Gruppe mit Kapsel-Release-OP und 99 der Gruppe mit sogenannter früher strukturierter Physiotherapie über einen Zeitraum von 12 Wochen. Zusätzliche Steroidinjektionen kamen bei 82 Prozent der Manipulations-Gruppe, 22 Prozent der OP-Gruppe und 80 Prozent der Physiotherapie-Gruppe zur Anwendung. Die invasiv behandelten Personen wurden im Nachgang ebenfalls 12 Wochen lang physiotherapeutisch begleitet. Alle drei Gruppen wies man an, die Übungen nach Ablauf der Therapiezeit selbstständig zuhause weiterzuführen. Rund 80 Prozent aller Teilnehmenden nahmen die angebotene Behandlung letztlich in Anspruch und hielten sich dabei an die Reha-Anweisungen.
Um die Outcomes der einzelnen Methoden zu vergleichen, zogen die Forscher als primäres Messwerkzeug den umfassenden Oxford Shoulder Score (OSS) heran, auf dem ein Maximalwert von 48 Punkten erreicht werden kann. Alle Teilnehmenden füllten vor Beginn ihrer Operation oder Behandlung sowie nach Ablauf eines Jahres den Fragebogen aus, der in 12 Fragen (z. B. „Konnten Sie sich innerhalb der letzten 4 Wochen wegen Ihrer Schulterschmerzen selbst anziehen?“, „Beeinträchtigen Ihre Schulterschmerzen Ihren Schlaf?“, „Könnten Sie mit dem betroffenen Arm derzeit Ihre Haare bürsten?“ oder „Könnten Sie derzeit ein volles Tablett quer durch den Raum tragen?“) das subjektive Schmerz- und Einschränkungsempfinden bezüglich Schulterbewegung beurteilt. Für klinische Signifikanz setzte das Studienteam eine Differenz von 4 Punkten zwischen den beiden invasiven Verfahren und 5 Punkten zwischen Physiotherapie und einer der beiden invasiven Behandlungsformen fest. Sekundär kamen neben dem OSS noch weitere Skalen zur Anwendung.
Kapsel-Release bei Frozen Shoulder nur marginal überlegen
Ein Jahr nach Behandlungsbeginn oder Operation hatte sich das Befinden aller Patienten deutlich verbessert. Die OP-Gruppe erreichte nun 40,3 Punkte, die Manipulationsgruppe 38,3 Punkte und die Physiotherapie-Gruppe 37,2 Punkte. Damit war zwar das vorher festgesteckte Signifikanzziel verfehlt, doch für die Aussage, dass alle drei Methoden zur Linderung der Symptomatik gut geeignet sind, reichte der Score laut Studienleitung aus. Im ersten Viertel des Follow-up-Zeitraums hatten die Resultate der Kapsel-Release noch unterhalb der anderen beiden Behandlungen gelegen.
Komplikationen trüben positive Resultate der invasiven Behandlungen
Wie alle operativen und narkosepflichtigen Verfahren bergen auch Kapsel-Release und externe Manipulation unter Anästhesie ein Komplikationsrisiko. In der Studienkohorte traten immerhin zehn schwere Komplikationen auf, davon acht bei der Kapsel-Release und zwei bei der Manipulation. Bezieht man dieses Risiko in die Gesamtbetrachtung mit ein, ist die Überlegenheit der Operation in Anbetracht der verfügbaren Alternativen mindestens zu diskutieren.
■ Kura L
Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!
Quellen:
Rangar A, Brealey SD, Keding A, Corbacho B, Northgraves M, Kottam L, Goodchild L, Skrikesavan C, Rex S, Charalambous CP, Hanchard N, et al. Management of adults with primary frozen shoulder in secondary care (UK FROST): a multicentre, pragmatic, three-arm, superiority randomised clinical trial. Lancet 2020; 296: 977-989. doi:10.1016/S0140-6736(20)31965-6