Fortsetzung ESC Leitlinie 2020 für Sportkardiologie und körperliche Bewegung bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Arrhythmien und Kanalopathien
Bei Athleten mit supraventrikulärer Tachykardie (SVT) sollte eine Präexzitation ausgeschlossen und möglichst eine kurative Katheterablation in Betracht gezogen werden. Bei professionellen Leistungssportlern mit asymptomatischer Präexzitation wird eine elektrophysiologische Untersuchung und nach Risikoabschätzung ggf. eine Ablation empfohlen.
Bei Patienten/Sportlern mit rezidivierendem symptomatischem Vorhofflimmern, die keine Medikamente einnehmen möchten oder diese nicht vertragen, wird eine Katheterablation empfohlen. Während einer Antikoagulation ist von Kontaktsportarten abzusehen. Bei Vorhofflattern sollte ebenfalls eine Ablation in Betracht gezogen werden. Patienten/Sportler mit ventrikulären Rhythmusstörungen müssen auf zugrunde liegende strukturelle oder familiäre arrhythmogene Erkrankungen untersucht werden. Bei Kanalopathien wie Long-QT- oder Brugada-Syndrom wird zur Entscheidungsfindung ggf. ein Kardiogenetiker und/oder Elektrophysiologe hinzugezogen.
Patienten mit Herzschrittmachern sollten unter Berücksichtigung der Grunderkrankung zum Sport ermutigt werden (cave: Kollisionssport). Dies gilt auch für Patienten/Sportler mit implantierbaren Kardiovertern-Defibrillatoren, bei denen jedoch zusätzlich die Konsequenzen von möglichen Schocks und/oder Synkopen während des Sports sowohl für sich selbst als auch für Beteiligte berücksichtigt werden müssen (z. B. Tauchen, Klettern).
Angeborene Herzerkrankungen
Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen sollten nach Möglichkeit zum Sport ermutigt werden. Wesentlich für die Entscheidungsfindung sind: ventrikuläre Funktion, Pulmonalarteriendruck, Aortendurchmesser, ggf. Arrhythmien und Sauerstoffsättigung. Eine Ergospirometrie ist unabdingbar.
In Summe gibt die neue Leitlinie alltagstaugliche Hilfestellung für die Entscheidung bei Fragen des Sporttreibens von Patienten und Sportlern bei einem breiten Spektrum an Herzkreislauferkrankungen. Ziel ist es, Patienten und Sportlern verantwortungsvoll, individuell und an das jeweilige Risiko angepasst das Sporttreiben zu ermöglichen, so dass diese keinem ungerechtfertigten Risiko ausgesetzt sind, ihnen aber auch nicht der gesundheitliche Nutzen des Sports vorenthalten wird. Bisher wurde zu selten die Möglichkeit der gemeinsamen Entscheidungsfindung (shared decision making) genutzt. Durch Analysieren, Abwägen und Beraten sowie akzeptieren des individuellen Wunschs des Patienten, wird uns für den Alltag ein bisher zu wenig genutztes Instrument an die Hand gegeben, welches uns verantwortungsvolle Partner der Patienten/Sportler sein lässt, damit diese ihrem Sport mit der Intensität und auf dem Niveau nachgehen können der ihnen wichtig ist.
Das Wichtigste auf einen Blick
Rationale | Bewegung und Sport sind assoziiert mit geringerer kardiovaskulärer und Gesamt-Morbidität und Mortalität. Ziel: ein Leben lang sportlich aktiv sein. Restriktive Sport-Empfehlungen oder gar Verbote müssen evidenzbasiert und gerechtfertigt sein, da „Kollateralschäden“ durch körperliche Inaktivität real sind. Ziel: Weg von angstgeleiteten, restriktiven, hin zu verantwortungsvollen, möglichst großzügigen Empfehlungen |
Gemeinsames Entscheiden, “shared decision making“ | individuelle Situation und Bedürfnisse des Sportlers/Patienten berücksichtigen; evidenzbasierte und individuelle Risikoabschätzung; gemeinsame Entscheidung durch Arzt und Patient; in Akte vermerken |
Plötzlicher Herztod: Prävention | Sporttauglichkeitsuntersuchung wo indiziert. Basis: u. a. Ruhe-EKG, maximales bzw. symptom-limitiertes Belastungs-EKG (ideal: Ergospirometrie); je nach Sportart und Intensität auch Echokardiographie; je nach Alter etc. ggf. Koronar-CT |
Chronische Herzinsuffizienz | Medikation optimieren, Maximale (Spiro-)Ergometrie,Strukturierte Trainingsprogramme |
Herzklappen | Asymptomatische leichtgradige Vitien: Sportfreigabe |
Aortopathie | Aortenwurzeldurchmesser <40 mm = geringstes Risiko für Dissektion; Risikostratifizierung durch Ergometrie und Bildgebung (CT/MRT) vor Trainingsbeginn |
Kardiomyopathie | Bleibt individuelle, jedoch eher großzügige Entscheidung |
Arrhythmogene Kardiomyopathie | Positiver Genotyp, unabhängig vom Phänotyp: kein Leistungssport |
Perikarditis, Myokarditis | Sport erst nach Ausheilung, meist 3-6 Monate (bei Perikarditis evtl. eher); Freigabe je nach Klinik und Befund (auch Echo, MRT) |
supraventrikulärer Tachykardie | Präexzitation ausschließen; Katheterablation in Betracht ziehen |
Rezidivierendes, symptomatisches Vorhofflimmern | Bei ungenügender medikamentöser Kontrolle bzw. Unverträglichkeit, Katheterablation; Antikoagulation: kein Kontaktsport |
Vorhofflattern | Ablation in Betracht ziehen |
Ventrikuläre Tachykardien | Grunderkrankung therapieren |
Schrittmacher | zum Sport ermutigen; kein Kollisionssport |
Defibrillator | Indikationsstellung je nach Grunderkrankung, NICHT um Sport zu ermöglichen! zum Sport ermutigen; kein Kollisionssport, Risiko für Beteiligte bedenken (z. B. Klettern, Tauchen, etc.) |
Angeborene Herzerkrankungen | zum Sport ermutigen; Wahl des Sports, Trainingsumfang und -intensität in Abhängigkeit von: Ventrikuläre Funktion, Pulmonalarteriendruck, Aortendurchmesser, Arrhythmien, Sauerstoffsättigung |
■ Niebauer J
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Quellen:
Pelliccia A, Sharma S, Gati S, Bäck M, Börjesson M, Caselli S, Collet JP, Corrado D, Drezner JA, Halle M, Hansen D, Heidbuchel H, Myers J, Niebauer J, Papadakis M, Piepoli MF, Prescott E, Roos-Hesselink JW, Graham Stuart A, Taylor RS, Thompson PD, Tiberi M, Vanhees L, Wilhelm M; ESC Scientific Document Group. 2020 ESC Guidelines on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease. Eur Heart J. 2020; ehaa605. doi:10.1093/eurheartj/ehaa605