Erfolgreiches Speedklettern – eine Wissenschaft für sich

Erfolgreiches Speedklettern – eine Wissenschaft für sich

Wer im Speedklettern erfolgreich werden will, sollte von Anfang an die Koordination seiner Bewegungen trainieren und darauf hinarbeiten, Bewegungsfehler zu vermeiden. Männer profitieren von anderen Strategien als Frauen. Das sind die Kernergebnisse des neuen Reviews eines Autorenteams aus dem Iran und der Schweiz. Um möglichst detaillierte Einsichten in erfolgsbestimmende Faktoren des Speedkletterns zu gewinnen, analysierten die Autoren neben der Fachliteratur auch Videoaufnahmen der vergangenen Olympischen Spiele und führten Interviews mit erfahrenen Trainern (1).

Was Top-Kletterer ausmacht

1998 fand der erste offizielle Wettbewerb im Speedklettern statt. Die heute übliche 15-m-Parallelstrecke wurde 2007 anlässlich der Weltmeisterschaften in Avilés eingeführt. Seitdem Sportklettern zur olympischen Disziplin wurde und es neben dem Leadklettern und Bouldern auch aufs Speedklettern ankommt, wird diese Sportart zunehmend gefragter.

Inzwischen sind viele wissenschaftliche Artikel zum professionellen Speedklettern erschienen. Der Fokus jeder der 38 in den oben erwähnten Review miteinbezogenen Studien lag auf Physiologie, Anthropometrie, körperlicher Fitness oder Biomechanik. Zudem analysierte die Erstautorin das Videostreaming der Endrunden beim Speedklettern bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Ergänzend wurden halbstrukturierte Interviews mit drei Trainern geführt, die iranische Elite-Speedkletterer betreuen.

Elite-Speedkletterer zeichnen sich Studien zufolge durch eine hohe anaerobe relative Kraft, Ausdauer und Explosivkraft der unteren Gliedmaßen aus. Bei männlichen Spitzenkletterern dominiert Studien zufolge das Phosphagensystem die Energiebereitstellung (5). Bei allen anderen Speedkletterern – Frauen wie langsameren Männern – wird das Glykolyse-System stärker zur Energiebereitstellung und zur Erzeugung hoher Laktatwerte im Blut genutzt. Für den sportlichen Erfolg kommt es hier sowohl auf das anaerobe Glykolyse- als auch das ATP-CP-Energiesystem an, das verbessert werden sollte (2). Die Leistung beim Speedklettern korreliert mit der Leistung bei Sprungtests (Hocke und Gegenbewegung) und Standweitsprungtests.

Bei den Frauen ist strittig, welche Körpergröße eine hohe Klettergeschwindigkeit fördert. Einerseits haben kleine Frauen mit hoher Explosivkraft der unteren Gliedmaßen Vorteile (4), andererseits können größere Frauen durch die Klettertechnik viel ausgleichen (3).

Strategien für bessere Ergebnisse

Um die Leistungen im Speedklettern zu verbessern, empfehlen die Autoren nach Analyse der Studien sowie der Videoaufnahmen einen Fokus auf Fußbewegungen. Damit können Athleten ihre Beinkraft optimal nutzen und ein Abrutschen von der Wand vermeiden. Der sogenannte Tomoa-Start – einer Starttechnik, die den vierten Griff auslässt – scheint sich für Männer eher zu eignen als für Frauen. Frauen, die den Tomoa-Start wählen, profitieren von einer zumindest provisorischen Berührung von Griff 4. Unabhängig vom Geschlecht kommen Speedkletterer schneller voran, wenn sie in einer direkten Linie vom Start bis zum Gipfel klettern und seitliche Bewegungen weitgehend vermeiden. Zudem sollten sie möglichst wenige lange Dyno-Bewegungen ausführen, denn diese können der Analyse zufolge die vertikale Geschwindigkeit drosseln.

In den Interviews hoben die Elite-Trainer hervor, dass Anfänger in diesem Sport aufgrund der spezifischen motorischen Anforderungen und der standardisierten Kletterroute schneller Fortschritte verzeichnen können als in anderen Kletterdisziplinen. Die Experten empfehlen Einsteigern, ihre Koordination zu trainieren und sich darauf zu fokussieren, Bewegungsfehler zu vermeiden. Frauen profitieren ihrer Erfahrung nach eher davon, die Hände paarweise an den Griffen zu halten, wohingegen Männer sich auf Leiterbewegungen fokussieren sollten. Frauen sollten ihre Klettertechnik auf die eigenen körperlichen Gegebenheiten abstimmen und keinesfalls männliche Speedkletterer imitieren. Elite-Speedkletterer profitieren laut der Trainer besonders davon, darauf zu achten, Fehlstarts und Fehler bei den Fußplatzierungen zu vermeiden.

Um neue und erfahrene Speedkletterer besser instruieren zu können, empfehlen die Autoren des Reviews, die Physiologie und Biomechanik des Speedkletterns in weiteren Studien mit möglichst vielen Teilnehmern zu analysieren. Insbesondere die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen verschiedenen Kletterstrategien sollten dabei beleuchtet werden.

■ Plaum P

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Quellen:

  1. Askari Hosseini S, Wolf P. Performance indicators in speed climbing: insights from the literature supplemented by a video analysis and expert interviews. Front Sports Act Living. 2023 Dec 22; 5: 1304403. doi:10.3389/fspor.2023.1304403

  2. Guo F, Wang Q, Liu Y, Hanson NJ. Changes in blood lactate and muscle activation in elite rock climbers during a 15-m speed climb. Eur J Appl Physiol. 2019;119: 791-800. doi:10.1007/s00421-018-04070-w

  3. Kassirer E, Salitra S. Characterizing Route Strategy in Professional Speed Climbing with Respect to Athlete Height. Science One Research Projects, University of British Columbia. 2021. doi:10.14288/1.0400080

  4. Krawczyk M, Ozimek M, Rokowski R, Pociecha M, Draga P. Anthropometric characteristics and anaerobic power of lower limbs and their relationships with the race time in female speed climbers. Society integration education proceedings of the international scientific conference 2018; 4: 118. doi:10.17770/sie2018vol1.3268

  5. Ozimek M, Krawczyk M, Rokowski R, Draga P, Ambrozy T, Mucha D, et al.: Evaluation of the level of anaerobic power and its effect on speed climbing performance in elite climbers. Trends Sport Sci. 2018; 3: 149-158. doi:10.238929/TSS.2018.25.3-5