Bone Bruise und Stressfraktur: Knochen im Stress
Überlastungsverletzungen am Knochen sind bei Sportlern häufig. Zwei typische Verletzungsarten sind der Bone Bruise und die Stressfraktur. Beide Verletzungen können für Athleten mit erheblichen Trainingspausen und Ausfällen aus dem Wettkampfgeschehen einhergehen. Wegen wenig eindeutiger oder mangelnder klinischer Anzeichen werden allerdings häufig beide Probleme nicht oder erst verspätet erkannt. Da die Art der Therapie und die Dauer der Trainingspause eng mit der Schwere der Knochenverletzung zusammenhängt, ist eine frühzeitige Diagnose wichtig.
Bone Bruise – der »blaue Fleck« am Knochen
Der Bone Bruise bzw. das Knochenmarködem beschreibt eine schmerzhafte Flüssigkeitsansammlung im Knochen. Synonym werden Begriffe wie Knochenkontusion oder Mikrofraktur verwendet. Das Verletzungsmuster hat sich erst in den letzten 20 Jahren etabliert – vorher war es schlicht unbekannt, weil die Beschwerden nicht nachweisbar waren. 1988 wurde es erstmals als krankhafte Veränderung beschrieben. Histologisch betrachtet, handelt es sich um Mikrofrakturen des spongiösen Knochens. Begleitet werden diese durch umgebende Ödeme und Einblutungen in das Fettmark sowie einsprossende Kapillaren und Zeichen fokaler Knochenneubildung (3). Bildgebend lassen sich Bone Bruises nur im MRT eindeutig erkennen. Sie zeigen sich als hypointense Zonen in der T1- und hyperintense Zonen in der fettunterdrückten T2-Wichtung. Veränderungen im Röntgenbild sind in der Regel erst im fortgeschrittenen Stadium und damit bei Stressfrakturen zu beobachten.
Einer Stressfraktur als schwerstmöglicher Form dieses Verletzungstyps gehen – wie der Name schon sagt – Stressreaktionen des Knochens voraus. Diese ähneln dem Erscheinungsbild eines Bone Bruise. Das Vorhandensein eines Knochenmarködems ist demnach ein Zeichen für Stress, bedeutet aber nicht zwangsläufig auch eine behandlungsrelevante Diagnose. Eine Fallserie mit 16 professionellen Mittel- und Langstreckenläufern aus den Niederlanden fand bei 14 Athleten (87,5 Prozent) vor der Saison Knochenmarködeme, die aber keine Beschwerden bereiteten. Im Lauf der Saison verschwanden einige der Ödeme, andere kamen hinzu, doch Schmerzen oder Verletzungspausen aufgrund der Brone Bruises oder Stressreaktionen gab es nicht (2). »Ödeme können lange Zeit ohne Beschwerden bestehen. Diese treten häufig erst auf, wenn es zu Instabilitäten kommt. Immer wenn Schmerzen auftreten, müssen diese jedoch ernstgenommen werden, da ein dauerhaft vorhandenes Ödem das Risiko für eine Minderdurchblutung des Knochens erhöht. Im äußersten Fall kann der Knochen nekrotisch werden«, erklärt Prof. Dr. Holger Schmitt vom Deutschen Gelenkzentrum in Heidelberg.
Ein Bone Bruise entsteht in der Regel durch ein traumatisches Ereignis. Es kann die einzige Folge eines Traumas sein oder beispielsweise einen Kreuzbandriss, eine Bandverletzung des Sprunggelenks, Dislokationen der Patella, okkulte Frakturen und Kontusionen flankieren. Allerdings wurden auch atraumatische Entstehungsmöglichkeiten (primäres Knochenmarködem) beschrieben.
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Stressfraktur – der unsichtbare Knochenbruch
Stressfrakturen treten eher an anderer Stelle auf als reine Bone Bruises. Während letztere bei traumatischem Ursprung häufig in der Nähe von Gelenken (Knie, Sprunggelenk) entstehen, bilden sich Stressfrakturen, auch als Ermüdungsfrakturen bezeichnet, meist als Folge von Überlastung in stark beanspruchten Knochen. Betroffen ist hier am häufigsten die untere Extremität, vor allem Tibia und Fibula, Kahnbein und Mittelfußknochen bei Läufern, Femur, Pelvis, Calcaneus oder die Patella bei Basketballern und anderen Sprungsportarten (Gymnastik, Tanzen, Ballett). Abhängig von der sportlichen Belastung und der applizierten Kraft können Stressreaktionen und -frakturen aber auch an anderer Stelle auftreten – bei Ruderern etwa vermehrt an den Rippen. Die in einigen Sportarten verbreitete Schambeinentzündung ist genau genommen zumeist eine Stressreaktion des Knochens – sie entsteht durch Mikrofrakturen im Os pubis.
Bislang sind zwei Entstehungswege für Stressfrakturen und ihre Vorstufen bekannt. Nach der Ermüdungstheorie sind sie die Folge von zu hoher repetitiver Belastung des Knochens. Die Insuffizienztheorie hingegen beruht auf der Beobachtung, dass ein gesunder Knochen die Belastung eigentlich aushalten müsste, aber knochenschwächende Parameter vorliegen. Dazu zählen Risikofaktoren wie eine reduzierte Knochendichte, Menstruationsstörungen, Magersucht oder andere Essstörungen (Female Athlete Triad und Relatives Energiedefizitsyndrom), geringer BMI, rheumatologische oder hämatologische Erkrankungen, hormonale Veränderungen (niedriger Vitamin-D-Serumspiegel, hoher Parathormonspiegel, Eisenstoffwechselstörungen), Osteoporose sowie Erkrankungen, die mit Veränderungen des Phosphat- oder Kalziumstoffwechsels einhergehen. In beiden Entstehungsmodellen können biomechanische Veränderungen (z. B. Beinlängendifferenzen, muskuläre Dysbalancen) oder Änderungen im Trainingsgeschehen das Zünglein an der Waage sein.
Sportlerinnen besonders gefährdet
Eine epidemiologische Studie mit mehr als 11 Millionen College-Athletinnen und -Athleten ergab eine Gesamtinzidenz von 5,7 Verletzungen pro 1000 Sportstunden (4). Besonders gefährdet sind den Ergebnissen zufolge generell Frauen. Am häufigsten betroffen waren Läuferinnen (29 Verletzungen/1000 Sportstunden), Turnerinnen (26) und Leichtathletinnen (23). Die häufigsten Lokalisationen waren der Mittelfuß (38 Prozent), die Tibia (22 Prozent) und – mit einigem Abstand – die untere Wirbelsäule bzw. das Becken (12 Prozent). Diese Verteilung sollte nicht vergessen lassen, dass die Verletzungsform auch in anderen Sportarten auftreten kann. So können bei Wurfsportarten, beim Turnen, im Kraftsport oder beim Klettern auch die oberen Extremitäten betroffen sein, z. B. Handwurzelknochen oder Ellbogen.
Grundvoraussetzung ist die Entstehung eines Ungleichgewichts im ossären System. Wirkt auf einen Knochen eine ungewohnte Belastung ein, kann die Kapazitätsgrenze der Belastbarkeit überschritten werden; es folgen lokale Reaktionenen mit Ödembildung. »Der Körper kann das Ödem in der Regel gut wieder abbauen. Erfolgt die Schädigung allerdings wiederholt, kann der Knochenstoffwechsel nicht mehr mithalten und es kommt zur Stressreaktion«, erklärt Prof. Schmitt.
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Therapie von Bone Bruises und Stressfrakturen
Sowohl bei einem Bone Bruise als auch bei Stressfrakturen sind die Symptome zu Beginn wenig spezifisch. Der Schmerz wird häufig als dumpf beschrieben. Typischerweise tritt er während der Belastung, zum Ende der sportlichen Aktivität hin, auf. Mit fortschreitender Dauer sind die Beschwerden immer früher wahrnehmbar, eventuell sogar zwischen den Trainingseinheiten im Alltag. Wie auch beim Bone Bruise sind Stressfrakturen in einem frühen Stadium mittels Röntgendiagnostik nicht eindeutig nachweisbar. Das führt mitunter zu Falschdiagnosen wie Sehnen- oder Knochenhautreizung. Auch hier gilt das MRT als Goldstandard, weil es neben einer sicheren Diagnose auch die Feststellung des Schweregrads erlaubt (Tab. 1). Dieser beeinflusst, wie umfassend und wie lange im Training pausiert werden muss – denn Entlastung ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie von Bone Bruises und Stressfrakturen.
Bei Letzteren unterscheidet man zudem zwischen Hoch- und Niedrigrisiko-Lokalisationen. Hochrisiko-Stressfrakturen findet man am Schenkelhals, der ventralen Tibia am Melleolus medialis, am Talus, Naviculare Metatarsale I, II und V sowie am Sesamoid. Bei Verletzungen an diesen Knochen kann eine Immobilisation und gegebenenfalls sogar eine Operation notwendig werden. Daneben werden je nach Schmerzintensität Analgetika verordnet. Ob NSAR für eine verzögerte Knochenheilung verantwortlich sein können und daher zurückhaltend angewendet werden sollen, wird diskutiert. »Liegt nur ein Knochenmarködem und noch keine Stressfraktur vor, muss an sich nicht der Knochen heilen, sondern das Ödem muss resorbiert werden. Dafür scheinen NSAR geeignet zu sein«, stellt Prof. Schmitt fest. Wenn mit anderen analgetisch wirkenden Medikamenten (z. B. Paracetamol) eine ausreichende Schmerzreduktion erreicht werden kann, ist das eine Alternative.
Bei Niedrigrisiko-Frakturen können während der Entlastungspause alternative Sportarten wie Aquajogging, Schwimmen oder leichtes Athletiktraining aufrechterhalten bzw. ausgeübt werden. Insbesondere bei Stressfrakturen, eventuell aber auch beim atraumatischen Bone Bruise, sollte interdisziplinär nach möglichen auslösenden Faktoren gesucht werden.
Denkbar sind hier z. B.
- Änderungen des Trainingsumfangs und/oder der Trainingsintensität
- Änderungen der Trainingsinhalte, z. B. ungewohnte Belastungen
(Untergrund, altes/neues Schuhwerk, einseitige mechanische Belastungen) - Technische Schwächen, z. B. aufgrund von funktionellen Störungen oder muskulären Dysbalancen
- Störungen im Hormonhaushalt oder im Vitamin-D-Status
- Störungen der Ernährung oder Mangelernährung aufgrund von Diäten
Bei langwierigem, chronischem oder wiederkehrendem Verlauf wurden gute Ergebnisse mit Bisphosphonaten beschrieben. Die Anwendung erfolgt allerdings Off-Label und beherbergt ein nicht unerhebliches Spektrum an möglichen Nebenwirkungen. Für extrakorporale Stoßwellentherapie, therapeutischen Ultraschall und Magnetfeldtherapie existieren einzelne positive Erfahrungsberichte, jedoch ohne Evidenz für die Wirkung in der Literatur.
Ein wichtiger Aspekt in der Therapie von Knochenmarködemen ist die Compliance der Sportler: »Da ein Knochenmarködem im Alltag häufig bald keine Beschwerden mehr macht, sind Sportler versucht, zu früh wieder mit dem Training zu beginnen. So können Ödeme chronifizieren und es kommt zu deutlich längeren Verläufen«, betont Prof. Schmitt. »Im Normalfall sind diese Verletzungen zwar lästig, heilen aber gut aus.«
■ Hutterer C
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Quellen:
Albrecht S, Biedert RM. Stressfrakturen. Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie. 2004; 52: 27–30.
Kornaat PR, Van de Velde SK. Bone marrow edema lesions in the professional runner. Am J Sports Med. 2014; 42: 1242-1246. doi:10.1177/0363546514521990
Rangger C, Goost H, Kabir K, Burger C. Bone Bruise. Morphologische Veränderungen und klinische Relevanz. Trauma und Berufskrankheit. 2006; 8: 178-181. doi:10.1007/s10039-006-1134-y
Rizzone KH, Ackerman KE, Roos KG, Dompier TP, Kerr ZY. The Epidemiology of Stress Fractures in Collegiate Student-Athletes, 2004-2005 Through 2013-2014 Academic Years. J Athl Train. 2017; 52: 966-975. doi:10.4085/1062-6050-52.8.01
Brukner P. Stress fractures of the upper limb. Sports Med. 1998; 26: 415-424.