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Fortsetzung Bewegungsförderung aktuell – Glas halb voll oder halb leer?

Rezept für Bewegung – Voneinander lernen

Im Rahmen des Dritten Gesundheitsprogrammes der EU (2014-2020) wurde u.a. die Übertragung nachweislich wirksamer Programme in andere Mitgliedstaaten gefördert. In einem ersten Schritt hat die von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Lenkungsgruppe für Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und Management von nicht übertragbaren Krankheiten nach einschlägiger Beratung nachahmenswerte und wissenschaftlich evaluierte Verfahren (Best practice) ausgesucht, die in andere Mitgliedstaaten transferiert und weiterentwickelt werden sollten.

Eines der ausgewählten Best Practice Beispiele ist das Schwedische Modell Rezept für Bewegung (FaR oder PAP). Das Modell entwickelte sich aus kardiovaskulären Präventionsansätzen im hausärztlichen Bereich in den 1980 Jahren. Die hier gesammelten Erfahrungen gestärkt durch die internationale wissenschaftliche Evidenz führten schließlich in den darauffolgenden Jahren zu der Entwicklung des Modells (6).

Die fünf Kernelemente des Schwedischen Beratungsansatzes sind: Patientenzentrierung und Individualisierung, evidenzbasierte Beratung, Verankerung in der Kommune, schriftliches „Rezept“ und Verlaufsberatung. Die Wirksamkeit von FaR wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt. Eine aktuelle systematische Übersicht kommt zum Schluss, dass Ansätze, die die Kernelemente des Schwedischen Modells beinhalten, zu vermehrter körperlicher Aktivität führen (7).

Das Schwedische Rezept für Bewegung weist Elemente vom Bewegungsberatungs- und vom Rezept für Bewegung-Ansatz auf. Patienten können nach einer Beratung sich sowohl in Eigenregie als auch in Rahmen organisierter Angebote körperlich betätigen. Das Modell zeigt Ähnlichkeiten aber auch klare Unterschiede zum deutschen Ansatz. In Schweden dürfen neben den Ärzten auch andere Gesundheitsfachkräfte aktuell inaktive gesunde und chronisch kranke Patienten, angepasst an ihre Möglichkeiten und Vorlieben, zur gesundheitsfördernden Bewegung beraten. Die Verantwortung für die Therapie der Patienten bleibt davon unberührt beim Arzt. Alle „Verschreiber“, unabhängig von ihrem Beruf, müssen entsprechend qualifiziert sein. Die meisten Beratungen in Schweden führen Physiotherapeuten durch.

Prof. Dr. Dr. Winfried Banzer Goethe-Universität Frankfurt, Arbeitsbereich Präventiv- und Sportmedizin
Prof. Dr. Dr. Winfried Banzer Goethe-Universität Frankfurt, Arbeitsbereich Präventiv- und Sportmedizin © Banzer

In Deutschland bekennen sich die meisten (Haus)ärzte explizit zur Lebensstil- und Bewegungsberatung (3, 9), wie auch jüngst vom 122. Deutscher Ärztetag nachdrücklich bekräftigt (1). Die routinemäßige Ausübung dieser Tätigkeit im Praxisalltag wird allerdings durch zahlreiche Barrieren erschwert. Anders als in Schweden, wo die Ärzte ihre Patienten z. B. an Coaches verweisen können, die sich mit den lokalen Angeboten bestens auskennen, und die Patienten über Monate hinweg betreuen können, fehlt in Deutschland so eine koordinierende, unterstützende Instanz. Dies wird immer wieder sowohl seitens der Patienten (10) als auch der Ärzte (3) als Hindernis in der ärztlichen Beratung gesehen. Auch der 122. Deutsche Ärztetag fordert „eine kassenübergreifende Übersicht der regionalen Präventionsangebote“, an die Ärzte ihre Patienten weitervermitteln können (1).

Seit März 2019 bilden nun Partner aus zehn Mitgliedstaaten, darunter der Arbeitsbereich Präventiv- und Sportmedizin der Goethe-Universität, ein Konsortium, mit dem Ziel, die Leitideen des FaR – angepasst an die lokalen, regionalen und nationalen Begebenheiten – in das eigene Land oder Region zu transferieren und weiterzuentwickeln (EUPAP) (4). Das auf 36 Monate angelegte Projekt umfasst drei Phasen: Machbarkeitsstudie, Schulungsmaßnahmen und lokale Umsetzung und adressiert eine Vielzahl an Akteuren in der Politik, im Gesundheitswesen auch in der täglichen Praxis.

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