Sport sollte fester Bestandteil in der Therapie erektiler Dysfunktion sein
Potenzstörungen sind wohl in den seltensten Fällen Anlass für einen Besuch beim Sportmediziner. Doch sinnvoll könnte die Konsultation sehr wohl sein. Denn es gibt zunehmende Evidenz, dass körperliche Aktivität und Sport erektile Dysfunktion (ED) verbessern könnte.
Erektile Dysfunktion und kardiovaskuläre Erkrankungen hängen häufig zusammen
Erektile Dysfunktion ist nicht selten. Daten aus Deutschland und anderen Ländern zeigen, dass die Prävalenz mit steigendem Alter von 2,3 Prozent in der dritten Lebensdekade auf 53,4 Prozent in der siebten Lebensdekade zunimmt (1). Die sexuelle Störung kann die Lebensqualität der Betroffenen stark beinträchtigen. ED ist eine multifaktorielle Störung, deren Genese unterschiedliche Ursachen hat. Ein Hauptgrund liegt jedoch in arterieller Dysfunktion mit kardiovaskulärer Erkrankung als häufigste Komorbidität. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass körperliche Inaktivität, Übergewicht, Bluthochdruck, metabolisches Syndrom, Atherosklerose und manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen Risikofaktoren für ED sind. Die Prävalenz nimmt mit der Anzahl der vorhandenen Risikofaktoren zu. Umgekehrt ist ED häufig ein Prädiktor für zukünftige kardiovaskuläre Erkrankung.
Körperliche Aktivität hat sich in mehreren Studien als gutes Mittel präsentiert, um ED zu verringern. Dazu kommt, dass körperliche Aktivität große Bedeutung für die Gefäßgesundheit hat, die bei ED beeinträchtigt ist. Ein systematischer Review hat Studien analysiert, in denen körperliche Aktivität als Intervention eingesetzt wurde (3). Insgesamt zehn Studien, unterteilt in fünf Studiengruppen (körperliche Inaktivität, Übergewicht, Bluthochdruck, metabolisches Syndrom und/oder kardiovaskuläre Erkrankung) wurden ausgewertet.
Verbesserungen bis 86 Prozent
Abhängig von der Studienpopulation und der Schwere der ED zu Studienbeginn, ergab sich eine unterschiedliche Wirksamkeit von körperlicher Bewegung auf die Beschwerden. Was sich über alle Studien hinweg zwischen Baseline-Befragung und Follow-up verbesserte, war der Zustand in der Interventionsgruppe um 14 bis 86 Prozent und in der Kontrollgruppe um 1 bis 59 Prozent. Die Verblindung der Teilnehmenden und des Studienpersonals war in fast allen Studien ein Problem, was die Gefahr für einen Performance Bias erhöht. In den meisten Studien war die Bewegungsintensität moderat (zwischen 40 und 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz), in zweien moderat bis intensiv (60 bis 79 Prozent der HRmax). Pro Einheit wurden zwischen 20 und 60 Minuten (in Summe 120 bis 300 Minuten pro Woche) an drei bis maximal sieben Tagen pro Woche trainiert. Laufen, Radfahren draußen oder auf dem Ergometer, Joggen, Schwimmen, Aerobic und progressives Zirkeltraining waren die am häufigsten angebotenen Bewegungsarten. Die Interventionsdauer betrug zwischen 2 und 24 Monaten.
Vier Einheiten à 40 Minuten pro Woche nötig
Die Ergebnisse zeigen, dass kontinuierliches aerobes Intervalltraining bei Männern mit arterieller ED die Störung verbessert. Zielführend scheinen vier Trainingseinheiten pro Woche mit jeweils 40 Minuten (in Summe 160 Minuten pro Woche) in moderater bis hoher Trainingsintensität über mindestens sechs Monate. Diese Daten bestätigen die Ergebnisse einer früheren Auswertung von Hehemann und Kashanian (4). Allerdings zeigten diese Autoren auch, dass ein wöchentlicher Trainingsumfang von 200 bis 300 Minuten moderater Intensität die Ergebnisse hinsichtlich ED nochmals deutlich verbesserte. Die Empfehlung von 160 Minuten pro Woche liegt in derselben Größenordnung wie die Empfehlung der WHO (150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche).
Während diese Arbeit und andere Studien und Reviews eindeutig zu dem Ergebnis kommen, dass körperliche Aktivität in der Behandlung von erektiler Dysfunktion eine wichtige Rolle spielen sollte, wird Sport Betroffenen in der klinischen Praxis kaum empfohlen. Auch die derzeit aktuelle S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion erwähnt körperliche Aktivität als mögliche (ergänzende) Therapieoption nicht (2). Im November 2023 soll eine überarbeitete S3-Leitlinie erscheinen. Selbst wenn Patienten in der sportmedizinischen Praxis Probleme mit der Sexualfunktion nicht von selbst ansprechen, kann doch bei vorliegenden Risikofaktoren ein entsprechender Hinweis Anreize geben.
■ Hutterer C
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Quellen:
Braun M, Wassmer G, Klotz T, Reifenrath B, Mathers M, Engelmann U. Epidemiology of erectile dysfunction: results of the 'Cologne Male Survey'. Int J Impot Res. 2000; 12: 305-311. doi:10.1038/sj.ijir.3900622
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. 2018. Leitlinie »Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion«. [aufgerufen: 22.10.2021]
Gerbild H, Larsen CM, Graugaard C, Areskoug Josefsson K. Physical Activity to Improve Erectile Function: A Systematic Review of Intervention Studies. Sex Med. 2018; 6: 75-89. doi:10.1016/j.esxm.2018.02.001
Hehemann MC, Kashanian JA. Can lifestyle modification affect men's erectile function? Transl Androl Urol. 2016; 5: 187-194. doi:10.21037/tau.2016.02.05