Sport gegen posttraumatische Belastungsstörungen
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind psychische Störungen in Folge einer existentiell bedrohlichen Erfahrung. Oft handelt es sich bei den auslösenden Ereignissen um Naturkatastrophen oder Kriegseinsätze, weshalb die Prävalenzen dieser Erkrankung sehr regional ausfallen. In den USA zum Beispiel liegt die Lebenszeitprävalenz bei 6,8 Prozent, in Europa nur bei 1,9 Prozent. Auch in Deutschland sind Frauen häufiger betroffen (2,2 Prozent Lebenszeitprävalenz) als Männer (1 Prozent). Die Erkrankung zeichnet sich durch eine klassische Symptomtrias aus:
a) ungewolltes Wiedererleben der Erfahrung (Intrusionen),
b) Vermeidung von Erinnerung und
c) Wahrnehmung von Bedrohung (2).
Standardtherapie ist die Exposition, bei der die Patienten mit dem traumatischen Ereignis konfrontiert werden und lernen sollen, dass das Erlebnis keine Bedrohung mehr für sie darstellt. Auf Basis der zugrundeliegenden neurobiologischen und kognitionspsychologischen Lerntheorien, hat nun eine neue Studie die Expositionstherapie mit Sport verbunden, um so den Therapieerfolg zu steigern (1).
Psychotherapie in Kombination mit Training auf dem Stepper
Die australische Forschungsgruppe um Prof. Richard Bryant hat dazu 130 Patienten mit Posttraumatische Belastungsstörungen (61 Prozent Frauen, 39 Prozent Männer) einer neunwöchigen Expositionstherapie unterzogen (eine Sitzung á 90 Minuten pro Woche), wobei 65 Teilnehmer im Anschluss an die Psychotherapie 20 Minuten auf einem Stepper trainierten und die anderen 65 Teilnehmer stattdessen 20 Minuten Dehnübungen vollzogen. Ziel der Trainingsbedingung war eine individualisierte Herzfrequenz von 220 Schlägen pro Minute minus Lebensalter. Nur zehn der 20 Minuten des Trainings waren für das Aufrechterhalten dieser Herzfrequenz vorgesehen, die anderen zehn Minuten zum Auf- und Abbau dieser Frequenz.
Sechs Monate nach der letzten Therapiesitzung wurde mit dem als Goldstandard für die PTBS-Erhebung geltenden Fragebogen (CAPS-2) die Schwere der PTBS untersucht. Auf der Punkteskala vom 0-136 (keine PTBS bis schwere PTBS) zeigte sich, dass die Patienten, die zusätzlich Sport gemacht hatten, eine moderat geringere psychische Belastung aufwiesen als die 65 Teilnehmer, die sich lediglich gedehnt hatten. Im Schnitt lag die Belastung um 12 Punkte niedriger auf der Skala – im Studiendesign ein mittlerer Effekt (d = 0.6).
Auch wenn die Verbesserung des Schweregrades der PTBS durch Sport nur moderat war, ist das Ergebnis erstaunlich. 20 Minuten auf einem Stepper sind eine äußerst kostengünstige, zeitsparende und niederschwellige Therapieunterstützung, die über sechs Monate anhaltende Effekte zeigte. Zusätzlich wurde die Milderung der depressiven Symptome beobachtet, welche häufig bei PTBS-Patienten auftritt. Doch wie sind diese Effekte eigentlich zu erklären?
Posttraumatische Belastungsstörungen – mit Sport die Angst verlernen
Die psychologische Theorie hinter der Expositionstherapie bei Posttraumatische Belastungsstörungen ist die kognitive Verhaltenstherapie, bei der durch Extinktionslernen das Trauma verlernt werden soll: Das Trauma wird wieder erinnert, doch eine Katastrophe bleibt aus. So lernen Patienten, dass diese Situationen und die mit ihnen assoziierten Reize (Geräusche, Orte, etc.) keine Gefahr darstellen. Auf der neurowissenschaftlichen Ebene weiß man, dass der brain-derived neurotrophic factor (BDNF) die Ausbildung neuer synaptischer Verbindungen erleichtert, also das Lernen unterstützt (3). Die Idee der Forschungsgruppe scheint naheliegend: Da man weiß, dass Sport die Ausschüttung des BDNF erhöht, sollte Sport die Therapie unterstützen.
Fazit: Versuche, den BDNF durch Medikamente für Psychotherapien nutzbar zu machen, sind bisher gescheitert. Mit Sport scheint eine günstige und niederschwellige Alternative zur Verfügung zu stehen. Auch beschränken sie die zugrundeliegenden Theorien nicht auf PTBS, sondern sind generell auf Lernprozesse anwendbar. Es ist deshalb denkbar, dass kognitive Verhaltenstherapie auch bei anderen psychischen Erkrankungen sinnvoll durch Sport, bzw. die Erhöhung des BDNF, ergänzt werden könnte.
■ Wurzer D, Hutterer C
Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!
Quellen:
Bryant RA, Dawson KS, Azevedo S, Yadav S, Cahill C, Kenny L, ... & Keyan D. Augmenting trauma-focused psychotherapy for post-traumatic stress disorder with brief aerobic exercise in Australia: a randomised clinical trial. The Lancet Psychiatry. 2023; 10: 21-29. doi:10.1016/S2215-0366(22)00368-6
Maercker A, Augsburger M. Die posttraumatische Belastungsstörung. In: Maercker, A. (eds) Traumafolgestörungen. Springer. 2019; 13-45. doi:10.1007/978-3-662-58470-5_2
Peters J, Dieppa-Perea LM, Melendez LM, Quirk GJ. Induction of fear extinction with hippocampal-infralimbic BDNF. Science. 2010; 328: 1288–1290. doi:10.1126/science.1186909