Fortsetzung Schwimmer & Werfer: Schulterprobleme bei Überkopf-Sportarten
Die Handposition beim Eintauchen ist kritisch
Eine ältere Untersuchung hat die Aktivität der beim Schwimmen beteiligten Muskeln beim gesunden und beim schulterschmerzgeplagten Schwimmer verglichen. Besonders die Aktivität von M. subscapularis, M. rhomboideus, Serratus anterior und anteriorem Deltoidmuskel unterschieden sich zum Teil deutlich (6). Die Schwimmtechnik betreffend haben Analysen gezeigt, dass das Eintauchen der Hand beim Freistilschwimmen bei Frauen in den meisten Fällen (70 Prozent) oberhalb der Schulter stattfindet, während Männer in der Regel (80 Prozent) auf Schulterhöhe oder daruntereintauchen (2).
Durch die hohe Lage der Hand im Verhältnis zur Schulter ergibt sich eine maximal ungünstige Stellung für das Gelenk sowie eine verlängerte Zeitspanne in dieser Position. Frauen verbleiben demnach bis zum Beginn des Armzuges 0,28 Sekunden in der Position, während Männer diese bereits nach 0,12 Sekunden beginnen. In der Folge ist auch die Vortriebskraft geringer. Eine hohe Handstellung relativ zur Schulter hat somit mehrere Nachteile: Mehr Anstrengung ist für den Zug nötig, bei jedem Zug werden zwischen 0,1 und 0,3 Sekunden an Zeit verschenkt (was sich negativ auf die Geschwindigkeit auswirkt) und die Schulter steht unter großem Stress. Ein tieferes Eintauchen der Hand und der sofortige Beginn des Armzugs schont somit die Schulter.
Die Analyse zeigt auch, dass besonders Frauen einem erhöhten Risiko für ein Schulterimpingement ausgesetzt sind. Das Impingement beschreibt die schmerzhafte Einklemmung von Weichteilen wie Sehnen, Kapselanteilen oder Schleimbeuteln innerhalb eines Gelenkspalts. Dadurch wird die Beweglichkeit des Gelenks eingeschränkt. Frauen leiden im Schnitt zu drei Zeitpunkten während ihrer Schwimmkarriere häufiger unter Schulterbeschwerden: Erstens während der mittleren Adoleszenz (ca. 14 – 15 Jahre), wenn das Körpergewicht zunimmt, die Armkraft daran aber noch nicht angepasst ist. Dann während der späten Adoleszenz (ca. 18 Jahre), wenn erneut eine Diskrepanz zwischen Körpergewicht und der Arm- und Rumpfkraft besteht. Und schließlich mit Anfang bis Mitte 20, wenn die Trainingsumfänge massiv ansteigen. Männer haben nur zwei solche typischen Phasen – während der Wachstumsphase in der Pubertät und um das 20. Lebensjahr herum (1).
Interessanterweise hatte Dr. Dotzel während seiner langjährigen Arbeit mit Schwimmern vorwiegend männliche Patienten mit Schulterproblemen: »Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Das hängt auch nicht mit dem Alter zusammen. Jede Altersgruppe kommt gleich häufig. Spannend ist die Situation beim Wettkampf. Da habe ich Schwimmer erlebt, die im Training keine Probleme hatten, im Wettkampf aber dann Schmerzen und eine Symptomatik an den Tag legten wie Patienten mit kompletten Sehnenabrissen. Das betrifft nicht nur den Supraspinatus, sondern auch den Infraspinatus.« Offenbar befördert die maximale Belastung eine starke Entzündungsreaktion, die in der Trainingsphase nur occult vorhanden war. »Dann helfen kurzfristig nur Medikamente. Viele Athleten sprechen interessanterweise stark auf eine Kombination aus NSAR mit lokalen Injektionen mit einem in der Sportmedizin gerne angewendeten homöopathischen Mittel an«, erklärt Dr. Dotzel seine Beobachtungen.
Die Werferschulter – same same, but different
Auch in anderen Überkopfsportarten bekommen die Athleten Probleme, beispielsweise Werfer, egal ob in der Leichtathletik, in Ballsportarten wie Handball oder beim Tennis. Prof. Dr. Sven Reuter, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Physiotherapeut, betreut als Mannschaftsarzt das deutsche Leichtathletik-Mehrkampfteam: »Für die Beurteilung der Problematik beim Werfer ist die Eingangsanalyse entscheidend, denn das Problem kann verschiedene Ursachen haben.
Wir müssen genau wissen, welche Bewegung oder Position schmerzhaft ist und in welcher Phase der Wurfbewegung die Beschwerden auftreten. Dann können wir anhand eines 5-Punkte-Checks (3) die Ursache eingrenzen.« Die fünf Punkte, die schrittweise betrachtet werden, sind Scapula, Bizepssehne, Rotatorenmanschette, Gelenkkapsel und Gelenkstabilität. »Einem Sportler mit Scapuladyskinesie wird ein Scapula-fokussiertes Trainingsprogramm helfen. Bei der Bizepssehne und der Rotatorenmanschette liegt meist ein koordinatives Problem zugrunde und das Zusammenspiel der Rotatorenmanschette sollte optimiert werden. Auch die Gelenkstabilität hängt damit zusammen. Ist die Gelenkkapsel der Auslöser, müssen die knöchernen Strukturen sowie die Biomechanik genauer beleuchtet werden«, erklärt Prof. Reuter.