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Risikofaktoren für Verletzungen der Hamstring-Muskulatur

Risikofaktoren für Verletzungen der Hamstring-Muskulatur
© HANK GREBE / AdobeStock

Muskelverletzungen sind im Profi- wie im Breitensport ein häufiger Grund für lange Trainingsausfälle. In Sportarten, die auf schnellen Lauf-, Sprung- und Tretbewegungen mit kurzen Bodenkontaktzeiten basieren, ist die Hamstring-Muskulatur besonders in Gefahr. Ein systematisches Review-Update australischer und irischer Forscher hat nun in einer Metaanalyse die aktuelle Studienlage zur entsprechenden Risikofaktoren evaluiert (1). Sie könnten dazu dienen, das Belastungsmanagement und die Verletzungsprävention für Athleten zu optimieren sowie bessere Entscheidungen für ein sicheres Return-to-Play zu treffen.

Überlastung der ischiocruralen Muskulatur

Zum sogenannten Hamstring gehören die drei auf der Rückseite des Oberschenkels für Hüftstreckung und Kniebeugung zuständigen Muskeln M. biceps femoris, M. semitendinosus und M. semimembranosus. Diese Muskelgruppe kann sich nicht nur durch langfristige Überbeanspruchung degenerativ verändern, sondern ist durch starke, plötzliche Zugkräfte auch Schauplatz zahlreicher akuttraumatischer Läsionen (HSI = hamstring strain injury).

Hamstring-Muskulatur im Fokus

Die Autoren des Review-Updates nahmen 78 Übersichtsarbeiten und prospektive Studien unter die Lupe. Im Betrachtungszeitraum zwischen 2011 und 2018 wurden darin 8319 Fälle von HSI erfasst, darunter 967 Rezidive. Die Teilnehmenden waren überwiegend männlich, 16 bis 37 Jahre alt und betrieben zumeist Football, Australian Football und Leichtathletik auf Leistungsniveau. Inkludiert wurden wie bereits im vorausgegangenen Review von 2013 ausschließlich spezifische Hamstring-Verletzungen; keine Berücksichtigung fanden unspezifische Oberschenkelverletzungen, Tendinopathien, kniesehnennahe Avulsionen und Prellungs- oder quetschungsbedingte Pathologien. Unterschieden wurde außerdem nach erstmaligen (Index-) und wiederholten HSI. Aus einer Vorauswahl von 21 potenziell relevanten Risikofaktoren für Hamstring-Verletzungen kristallisierten sich einige heraus, die man in nicht veränderbare und modifizierbare Faktoren einteilen kann.

Nicht veränderbare Risikofaktoren

Alter: In den meisten ausgewerteten Studien fanden sich eindeutige Hinweise darauf, dass ältere Sportler ein signifikant höheres HSI-Risiko haben als jüngere. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass mechanische Belastungen mit zunehmendem Alter den Körper wegen altersbedingter struktureller sowie neurologischer Veränderungen (z. B. nachlassende Innervierung hochschwelliger motorischer Einheiten) stärker fordern.

Physische Faktoren: Weder Körpergröße noch BMI beeinflussen offenbar das HSI-Risiko. Gleiches galt für die physische Größe der Hamstring-Muskeln an sich. Einzig die Faszikellänge des M. biceps femoris und die Steifheit der Hamstring-Muskelgruppe erhöhten das Risiko erstmaliger Hamstring-Verletzungen.

Frühere Verletzungen: Sportler mit einer Historie beinnaher Verletzungen waren in der Metaanalyse klar mit einem höheren Risiko für HSI assoziiert. Den größten Ausschlag gaben Läsionen von vorderem Kreuzband (Risiko: + 70 Prozent), Wade (+ 50 Prozent), Knie und Sprunggelenk. Grund hierfür sind vermutlich strukturelle Veränderungen (Atrophie, Narbengewebe, Verkürzung) sowie neurologische Maladaptionen innerhalb des verletzten Muskels, die z. B. zu Lasten der Kniesehnenstärke und bestimmter motorischer Abläufe gehen. Am anfälligsten waren Athleten, die erst kürzlich eine Hamstring-Verletzung erlitten hatten. Kaum Einfluss nahmen hingegen Verletzungen des Quadrizepsstamms, chronische Pathologien der Leiste oder Schambeinentzündungen

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