Seite 1 / 3

Prävention von Lawinenunfällen

Prävention von Lawinenunfällen
© Grégory Delattre / Adobe Stock

In jedem Winter hört man Nachrichten von Wintersportlern, die in Lawinen verunglückt sind. Für jene, die sich noch nie mit Lawinenkunde, den entsprechenden Entstehungsmechanismen und Schneedeckenaufbau beschäftigt haben, scheint es wie russisches Roulette zu sein: Jeden Augenblick könnte, vollkommen unerwartet, der »Weiße Tod« lauern. In der Tat ist auch heute nicht immer zuverlässig vorherzusagen, wo und wann Lawinen abgehen werden. Ein gewisses Restrisiko bleibt im Gebirge immer. »In Österreich wurde im Winter 2019/2020 bei 373 Lawinenunfällen mit fast oder ganz Verschütteten die Bergrettung verständigt. Diese gemeldeten Unfälle werden alle von der Alpinpolizei erfasst und ausgewertet. Doch es gibt eine hohe Dunkelziffer von Unfällen, die nicht gemeldet werden – weil niemand verschüttet wird, sich die Betroffenen selbst befreien konnten oder von Kameraden ausgegraben werden. Die tatsächliche Anzahl liegt etwa fünf- bis zehnmal höher, also bei über 3000 Lawinenereignissen, die in keiner Statistik auftauchen«, erläutert Dr. Peter Paal, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit sowie Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin mit Schwerpunkt alpiner Notfallmedizin, Barmherzige Brüder Krankenhaus Salzburg. Bei diesen Zahlen überrascht es beinahe, dass die Anzahl der Lawinentoten in Europa in den vergangenen Jahren nicht angestiegen ist, obwohl es immer mehr Skitourengeher und Free­rider plus einen Trend zu mehr Unfällen auf Skitouren gibt (8). Seit vielen Jahren liegt die Inzidenz bei ca. 100 Lawinenopfern in ganz Europa (1) und in Österreich im Zehnjahresmittel bei 21 (9).

Dr. Peter Paal, Präsident des Öster­reichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit und Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin
Dr. Peter Paal, Präsident des Öster­reichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit und Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin © Paal

Variantenfahrer und Tourengeher besonders gefährdet

Statistiken zeigen, dass vor allem Variantenfahrer – also mit Liftunterstützung, aber Abfahrten abseits der Pisten – sowie Skitourengeher betroffen sind (Tab. 1). Etwa 54 Prozent der auf Skitouren Verunglückten sterben durch Lawinen, die meisten Opfer gibt es bei Lawinenwarnstufe 3 (»erheblich«; Tab. 2). Dabei lösen Wintersportler in 90 Prozent der Fälle die todbringende Lawine selbst aus. Die Zeit bis zur Rettung nach einer Vollverschüttung, d. h. mit Kopf und Rumpf im Schnee, ist entscheidend (Tab. 3). Die häufigste Todesursache bei einem Lawinenunfall ist mit 75 Prozent Ersticken (2). Trotz der recht hohen Überlebenswahrscheinlichkeit von >90 Prozent in den ersten Minuten stirbt bei einer Vollverschüttung jeder Zweite. Von den Überlebenden leiden 40 Prozent an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (11). Bleiben Kopf und Rumpf außerhalb des Schnees – man spricht dann von Teilverschüttung –, versterben etwa vier Prozent, meist wegen schwerer Verletzungen. Das können Traumen von Kopf oder Halswirbelsäule sein, Polytraumen durch Kollision mit Bäumen oder Felsen, Quetschungen durch das Schneegewicht oder Abstürze.

Statistische Daten Lawinenunfälle
Erläuterungen: Tab. 1: Übersicht über die Lawinentoten der Wintersaison 2018/2019 in Österreich (7) | Tab. 2: Prozentuale Verteilung der Lawinenopfer entsprechend der Lawinenwarnstufe zum Zeitpunkt des Unfalls (Wintersaison 2018/2019) | Tab. 3: Überlebenswahrscheinlichkeit vollverschütteter Personen nach (2), jeweils am Ende der Zeitspanne © DZSM; 2020
Nächste Seite: Lawinenunfälle: Präventionsmaßnahmen | Oberstes Ziel: Verschüttung verhindern