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Fortsetzung Prävention von Lawinenunfällen

Lawinenunfälle: Präventionsmaßnahmen

Organisationen wie das österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit oder Alpenvereine versuchen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Präventionsmaßnahmen und Angebote (z. B. Kursangebote) umzusetzen. Dr. Paal zählt auf, an welchen Stellschrauben bereits gedreht wurde:

Lawinenlagebericht (LLB): Die Qualität und Aufbereitung des LLB hat sich in den letzten Jahren verbessert.

• Persönliche Schutzausrüstung: Zur absolut notwendigen Schutzausrüstung im freien Gelände gehören ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), eine Sonde und eine Schaufel. Mit modernen digitalen 4-Antennen-LVS-Geräten ist die Suche leichter und schneller als mit früheren analogen Geräten. Auch die Verwendung von Metall- statt Plastikschaufeln trägt zur Sicherheit bei.

• Lawinenairbag: Ein Lawinenairbag kann dabei helfen, die Ganzkörperverschüttung zu verhindern. Die Zahl der Tourengeher, die mit Lawinenairbag unterwegs sind, steigt kontinuierlich.

• Lawinenkurse: Diverse Organisationen bieten Lawinenkurse zur Gefahreneinschätzung und zum Erlernen der Verschüttetensuche an. Die Zahl der Teilnehmer solcher Kurse ist deutlich gestiegen.

• Bergrettung: Die Bergrettung sowie die medizinische Versorgung am Berg sind besser geworden, die Helikopterdichte größer, die Ortungsmöglichkeiten feiner.

• Tourentypen: Die Zahl der Skitourengeher hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht, doch im einsamen Gelände mit eigener Spuranlage sind die Zahlen nicht im gleichen Maß gestiegen.

Die größten Zuwächse finden sich bei Pistenskitouren sowie auf so genannten Modeskitouren. Das Verhältnis von ersteren zu letzteren beträgt vermutlich zwischen 1:5 und 1:10.
Betrachtet man die unterschiedlichen Faktoren, wird deutlich, dass nicht ein Aspekt allein die Anzahl tödlicher Lawinenunfälle ausmacht. Die Analyse, wie viel Einfluss die unterschiedlichen Faktoren jeweils haben, gestaltet sich komplex. Klar ist aber: Sportler, die auf Pisten aufsteigen und abfahren, sind keine Lawinenauslöser.

Oberstes Ziel: Verschüttung verhindern

Besonders gefährdet sind also Personen, die abseits gesicherter Pisten unterwegs sind. Bewährt hat sich eine Kombination aus LVS-Training, LLB, bestimmten Methoden zur Einschätzung des aktuellen Risikos für eine spezielle Tour bzw. einen einzelnen Hang wie die Risikoreduktion nach Munter und Variationen (13), SnowCard (12) oder Stop-or-Go-Card (6) sowie geeigneter Schutzausrüstung. Beachtet man dann noch einige Faust­regeln (z. B. auf Wumm-Geräusche und Windzeichen achten, Fischmäuler meiden) und schaltet sofort ab Tourenbeginn das LVS ein, lässt sich das Risiko deutlich, aber nie bis auf null vermindern. Oberstes Ziel ist es, bei Lawinenabgängen eine etwaige Verschüttung zu verhindern.

Neben den genannten Verhaltens- und Planungsmöglichkeiten kann hier ein Lawinenairbag das Risiko reduzieren. In Lawinenrucksäcke sind große, zusammengefaltete Luftsäcke integriert, die bei Auslösung via Reißleine aus einer Kartusche oder mit Propellerluft innerhalb weniger Sekunden gefüllt werden. »Die inverse Segregation, auch bekannt als »Paranuss-Effekt«, sortiert während eines Lawinenabgangs größere Partikel an die Lawinenoberfläche. Aufgeblasene Airbags machen Verschüttungsopfer vom großen zum noch größeren Teil in der Lawine. Das erhöht die Chance, am Ende des Lawinenabgangs oben zu liegen«, erklärt Dr. Pascal Haegeli, Leiter einer Forschungsgruppe über Lawinen an der Simon Fraser University im kanadischen Vancouver, die Funktionsweise. Er hat mit seinem Team untersucht, wie groß der Effekt von Lawinenairbags tatsächlich ist (4). Es zeigte sich, dass sie das Risiko einer kritischen Verschüttung von 47,0 Prozent deutlich auf 20,1 Prozent und die Mortalität von 22,2 auf 11,1 Prozent verringern. Dr. Paal sagt dazu: »Der Airbag kann klar dazu beitragen, Ganzkörperverschüttung und Todesfälle zu reduzieren. Ich würde die Verwendung jedem empfehlen, der im offenen Gelände unterwegs ist.«

Dr. Pascal Haegeli, Leiter einer Forschungsgruppe über Lawinen an der Simon Fraser University im kanadischen Vancouver
Dr. Pascal Haegeli, Leiter einer Forschungsgruppe über Lawinen an der Simon Fraser University im kanadischen Vancouver. © Heageli
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