Plötzlicher Herztod: Rolle von Koronaranomalien bislang überschätzt

Plötzlicher Herztod: Rolle von Koronaranomalien bislang überschätzt
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Es ist eine weit verbreitete Annahme in der Fachgemeinschaft, dass eine häufige Ursache für den plötzlichen Herztod bei jungen Menschen eine Anomalie der Koronararterien sei. Darunter lassen sich generell Anomalien des Ursprungs, der Verlaufsrichtung und der Endigung von Koronararterien zusammenfassen. In Studien wird solchen Anomalien eine kausale Rolle für bis zu 33 Prozent aller plötzlichen Herztode bei jungen Menschen zugeschrieben (1). Eine breit angelegte australische Studie hat diese Annahme nun in Zweifel gezogen. Das Studienergebnis könnte Auswirkungen auf den professionellen Leistungssport haben.

490 Autopsien: Koronaranomalien als Todesursache ausgeschlossen

Elisabeth Paratz und Kollegen dokumentierten 490 Autopsien bei Menschen im Alter von 1-50 Jahren, die zwischen 2019 und 2021 im Bundesstaat Victoria an einem diagnostizierten plötzlichen Herztod verstorben waren (2). Davon wiesen 407 (86,8%) eine normale koronare Anatomie auf und 57 (12,2%) zeigten unauffällige Varianzen, z. B. des Versorgertyps. Das Erstaunliche: Nur bei fünf Patienten (ein Prozent) konnten echte Koronaranomalien festgestellt werden, und bei diesen Personen konnte die jeweilige Anomalie zuverlässig als Todesursache ausgeschlossen werden. Das heißt also, dass kein einziger der untersuchten 490 plötzlichen Herztode durch Koronaranomalien verursacht wurde. Zudem war unter allen Personen, die während oder kurz nach einer sportlichen Aktivität einen plötzlichen Herztod erlitten (N = 27), nur eine einzige Koronaranomalie vertreten – welche als Todesursache jedoch ausgeschlossen werden konnte. Die Rate der Koronaranomalien unter plötzlichen Herztoden in der Stichprobe lag insgesamt auf demselben Niveau wie in der Normalbevölkerung.

Auswirkungen auf den professionellen Sport

Was heißt das für professionelle Athleten? Basierend auf der gängigen Annahme, dass Koronaranomalien häufig zum Tod bei jungen, körperlich belasteten Menschen führen, wurden bisher eben diesen jungen Menschen besonders hohe Hürden für den Leistungssport auferlegt. So zitieren Paratz et al. die American Heart Association, die selbst bei gänzlich symptomfreien Sportlerinnen und Sportlern einen Ausschluss aus allen kompetitiven Sportdisziplinen fordert – einzig wegen des bloßen Vorhandenseins einer Koronaranomalie. In ähnlicher Weise, doch etwas weniger restriktiv, äußerte sich die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in ihren Richtlinien 2020. Nur unter speziellen Bedingungen sei Leistungssport für Personen mit Koronaranomalien akzeptabel.

Es könnte sein, dass solche Empfehlungen revidiert werden müssen, falls sich die Ergebnisse der Studie in Zukunft bestätigen sollten. Damit ist zwar noch nicht gesagt, dass Koronaranomalien keine Rolle für den plötzlichen Herztod spielen. Jedoch könnte diese Rolle bisher weit überschätzt worden sein.

■ Wurzer D, Hutterer C

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Quellen:

  1. Eckart RE, Scoville SL, Campbell CL, Shry EA, Stajduhar KC, Potter RN, Pearse LA, Virmani R. Sudden death in young adults: a 25-year review of autopsies in military recruits. Ann Intern Med. 2004; 141: 829–834. doi: 10.7326/0003-4819-141-11-200412070-00005

  2. Paratz ED, van Heusden A, Zentner D, Morgan N, Smith K, Ball J, & La Gerche A. Prevalence of Coronary Artery Anomalies in Young and Middle-Aged Sudden Cardiac Death Victims (from a Prospective State-Wide Registry). Am J Cardiol. 2022; 175: 127-130. doi: 10.1016/j.amjcard.2022.03.055