Playing hurt: Wettkampf trotz Schmerzen schon im Jugendsport ein relevantes Problem
Die Thematik, trotz akuter Schmerzen an einem Wettkampf, Spiel oder auch dem Training teilzunehmen (Playing hurt), ist altbekannt. Drew A. Hyland berichtete in ihrem Artikel „Playing to win: How much should it hurt“ (2) aus dem Jahr 1979 vom Quaterback Dan Pastorini, der trotz Knie-, Ellbogen- und Rippenverletzung weiterspielte und ihm dafür großer Respekt zu Teil wurde, während der damalige Basketballstar Bill Walton dafür kritisiert wurde, dass er es trotz einer Fußverletzung ablehnte, aufs Spielfeld zu gehen.
Verletzt zu spielen ist grundsätzlich hochriskant, geht häufig mit der gleichzeitigen Einnahme von Schmerzmitteln und dem Verschweigen der Schmerzen vor Trainern und Mannschaftskameraden einher. Besonders problematisch ist playing hurt aber bei jugendlichen Sportlern, weil sie sich in einer Phase körperlicher, seelischer und sozialer Umbrüche befinden. Verletzt anzutreten kann zu schwerwiegenden Traumata, der Chronifizierung von Symptomen, Überlastungsverletzungen und sogar zum Ende der sportlichen Karriere führen und verhindern, dass später im Leben ein aktiver Lebensstil aufrecht erhalten werden kann.
Wettkampfteilnahme trotz Beschwerden an der Tagesordnung
Die Verbreitung wurde in mehreren Untersuchungen mit jugendlichen Eliteathleten analysiert. Prof. Dr. Sven Schneider vom Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin an der Universitätsmedizin Mannheim, referierte auf dem Sports, Medicine and Health Summit 2021 (SMHS 2021) über die Ergebnisse einer Umfragestudie an Nachwuchsbasketball-Spielern (4, 5). Von 182 weiblichen und männlichen Nachwuchsbasketballern der höchsten nationalen Ligen gab jeder Fünfte an, auch dann an Spielen teilzunehmen, wenn der Arzt das nicht empfiehlt; jeder Dritte erklärte, auch mit einer Erkältung oder Fieber zu spielen. Auch die deutschlandweite GOAL-Studie mit 1138 jugendlichen Athleten aus 51 olympischen Sportarten zeigte: 43,8 Prozent der Nachwuchsathleten waren bereit, trotz Gelenkschmerzen an einem Wettkampf teilzunehmen, 47,7 Prozent, wenn sie sich körperlich nicht fit fühlen und 42,1 Prozent, obwohl sie Schmerzmedikamente einnehmen (1). Playing hurt ist also in relevantem Ausmaß bei jugendlichen Sportlern verbreitet.
Risiko in Sportinternaten und Mannschaftssportarten erhöht
Sowohl interne Faktoren, also soziodemografische (Alter, Geschlecht, familiärer Hintergrund) und psychologische (Über-Konformität, Nicht-Adhärenz, Non-Compliance), als auch externe Faktoren, also soziale (Einfluss Dritter, soziale Unterstützung, Druck von außen) und strukturelle Faktoren (Schulsituation, Wohnsituation, Leistungsniveau) spielen eine Rolle. Signifikante Zusammenhänge wurden mit zunehmendem Alter und auf psychologischer Ebene mit Überkonformität („Schmerzen gehören zum Spiel“) beobachtet. Mayer J. et al. (3) beschreiben, dass es in Sportarten unterschiedliche Präsenz- bzw. Absenzkulturen gebe, in die die Sportler schon früh hineinwüchsen: Sie lernen, was anerkannte Gründe sind, um Training oder Wettkampf abzusagen, und wann von ihnen erwartet wird, zu erscheinen. Die „willingness to compete“ war bei weiblichen Athleten, bei Athleten mit vielen Wettkampfeinsätzen, bei Athleten in Sportinternaten und Athleten in gewichtsabhängigen Sportarten erhöht (1). Ebenso zählen Sportler in technischen Sportarten mit Trainern, die einen autokratischen Führungsstil haben und Spieler in Ballsportarten aufgrund des Mannschaftdrucks dazu (3). Das geringste Risiko, verletzt anzutreten, zeigte sich unter Ausdauer- und Kraftsportathleten, bei denen kein direkter sozialer Druck ausgeübt wurde.
Während Eltern, Hausärzte und Freunde außerhalb des Leistungssports eher mäßigend wirken und den Sportlern dazu raten, zu pausieren, beeinflussen Trainer, Funktionäre, Verbandsärzte und Mannschaftskameraden offenbar in die gegenteilige Richtung.
Ärzte, Trainer und externe Außenstehende in der Verantwortung
Die Untersuchungen zeigen deutlich, dass jugendliche Sportler eine Risikopopulation sind, die aufgrund ihrer andauernden körperlichen, konditionellen, motorischen und psychosozialen Entwicklung besonderen Schutz brauchen. Die ethische und moralische Verantwortung sowie eine Fürsorgepflicht liegen bei den Ärzten. Doch auch Mannschaftskollegen, Trainer und sonstige Verantwortliche können in die eine oder andere Richtung einwirken. Für Trainer, die häufig keine medizinische Expertise besitzen, ist es jedoch schwer, zu erkennen, bei welchen Beschwerden Weitertrainieren/Spielen möglich ist und wann pausiert werden sollte. Sinnvoll wäre es, die Übungsleiterausbildung um die Themenbereiche Verletzungen und Schmerzen zu erweitern. Immerhin äußerten auch vier von fünf Athleten, dass sie sich von Sportärzten wünschen würden, besser zu Sportverletzungen beraten und aufgeklärt zu werden.
■ Hutterer C
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Quellen:
Diehl K, Mayer J, Thiel A, Zipfel S, Schneider S. „Playing hurt“: der Umgang jugendlicher Leistungssportler mit Gelenkschmerzen [Playing hurt: dealing with joint pain in adolescent elite athletes]. Schmerz. 2019 Feb; 33: 49-56. doi: 10.1007/s00482-017-0263-5
Hyland DA. Playing to Win: How Much Should It Hurt? Hastings Cent Rep. 1979; 9: 5-8. doi:10.2307/3560268
Mayer J, Giel KE, Malcolm D, Schneider S, Diehl K, Zipfel S, Thiel A. Compete or rest? Willingness to compete hurt among adolescent elite athletes. Psychology of Sport and Exercise. 2018; 35; 143-150. doi:10.1016/j.psychsport.2017.12.004
Schneider S. „Playing hurt“ – Wettkampfteilnahme trotz akuter Verletzungen oder Schmerzen am Beispiel Jugendbasketball. Sports, Medicine and Health Summit: 21.04.2021; 14:00-15:30. Video on demand https://www.sports-medicine-health-summit.de/portal/wissenschaftliches-programm.html
Schneider S, Sauer J, Berrsche G, Löbel C, Schmitt H. „Playing Hurt“ – Competitive Sport Despite being Injured or in Pain. Dtsch Z Sportmed. 2019; 70: 43-52. doi:10.5960/dzsm.2019.365