Orthomolekulare Medizin – Vorsicht ist geboten

Orthomolekulare Medizin – Vorsicht ist geboten
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Wenngleich der Begriff »Orthomolekulare Medizin« sich wissenschaftlich anhört, handelt es sich doch um eine alternativmedizinische Methode, für die bis heute breite Evidenz fehlt. Das Kernelement sind – teilweise sehr hoch dosierte – Gaben von Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen zur Prävention und Therapie von Krankheiten. Ein wichtiger Vertreter und Entwickler der Methode war der Nobelpreisträger Linus Pauling, der postulierte, dass ein Ungleichgewicht und Defizite bestimmter Moleküle (vor allem) im Gehirn zu psychischen Störungen führen könnte. In ihrer Weiterentwicklung verfolgt die Orthomolekulare Medizin die Idee, dass praktisch alle Krankheiten auf eine Unterversorgung des Körpers mit bestimmten Nährstoffen zurückzuführen seien, daher auch durch die Gabe der entsprechenden Substanzen behandelt werden könnten oder ihnen dadurch vorgebeugt werden könnte. Wirksamkeitsnachweise fehlen bis heute.

Obst so vitaminreich wie vor 50 Jahren

Heutzutage wird zudem häufig mit der modernen Nahrungsmittelproduktion, ausgelaugten Böden und geringeren Vitamin- und Mineralstoffkonzentrationen in Obst und Gemüse argumentiert, um eine Unterversorgung mit Nährstoffen zu erklären. Wenngleich die Produktionsbedingungen in der Lebensmittelindustrie durchaus kritisch zu betrachten sind, so gibt es auch für diese These keine Beweise. Auf den Internetseiten des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz wird beispielsweise eine Aufstellung des Vitamin- und Mineralstoffgehalts der Tomate im Verlauf der letzten 50 Jahre, bezogen auf 100 g essbaren Anteil, gezeigt.

Demnach kann weder ein Trend zu mehr noch zu weniger Nährstoffen abgeleitet werden. Auffällig ist, dass die Werte für das Jahr 1954 häufig um ein Vielfaches höher liegen als wenige Jahre später, doch das lässt sich mit weniger genauen analytischen Methoden erklären. Andere Studien beschreiben Ähnliches. Viel spannender ist jedoch zu sehen, wie stark beispielsweise der Vitamin-C-Gehalt in Äpfeln unterschiedlicher Sorten schwankt. Während Elstar und Gloster mit 5 bis 11 Milligramm pro 100 Gramm am unteren Ende der Skala rangieren, bringen es Braeburn und Jonagold auf durchschnittlich 19 bis 30 Milligramm.

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Erhöhter Verbrauch bei Sportlern

Bei Sportlern wird der durch die körperliche Aktivität auftretende höhere Verbrauch von Nährstoffen als Grund angeführt, um auf Nahrungsergänzungsmittel zurückzugreifen. So soll die Orthomolekulare Medizin unter anderem die Regeneration beschleunigen, die Wundheilung und Immunabwehr verbessern, die Blutgerinnung regulieren und Muskelkater und -schmerzen lindern. So wünschenswert das alles klingt: Belege für den Nutzen der Methode sind rar. Im Gegenteil haben inzwischen mehrere Studien ergeben, dass hohe Dosierungen/Überdosierungen von Vitaminen (Vitamin A, E, C, B6) gesundheitsschädliche Folgen haben könnten.

Dennoch verwenden viele Sportler regelmäßig Multivitamin- und -mineralpräparate. Grundsätzlich scheint es jedoch so zu sein, dass das »Mehr« an Essen durch den ebenfalls gesteigerten Energiebedarf einem Nährstoffmangel weitgehend entgegenwirkt. Noch immer ist nicht klar, in welchem Maße z. B. der oxidative Stress bei Leistungssportlern erhöht ist. Gezeigt wurde allerdings, dass eine den Bedarf übersteigende Supplementierung bei intensiver sportlicher Aktivität unerwünschte Effekte wie etwa gesteigerte Infektanfälligkeit zur Folge haben kann.

Ernährungsexperten, z. B. des Deutschen Olympischen Sportbundes, geben auch zu bedenken, dass mit der Einnahme die Gefahr ansteigt, unerlaubte Mittel zu sich zu nehmen, die in den Präparaten undeklariert enthalten sein können. Sie empfehlen daher, Präparate nur nach einer detaillierten klinisch-chemischen Analyse und einer resultierenden Empfehlung des Arztes einzunehmen und zusätzlich nur Präparate zu verwenden, die auf der »Kölner Liste« zu finden sind. Hier finden sich Produkte, die darauf getestet wurden, keine dopingrelevanten Zusätze zu enthalten.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Nieß AM, Striegel H, Hipp A, Hansel J, Simon P. Zusätzliche Antioxidanziengabe im Sport – sinnvoll oder unsinnig? Dtsch Z Sportmed. 2008; 59: 55-61.