Muskel-Zytokin Musclin verbessert die Herzfunktion

Muskel-Zytokin Musclin verbessert die Herzfunktion
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Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz sind relativ häufig von kardialer Kachexie betroffen. Gemeint ist ein Dreigespann aus dem Verlust von Körperfett, Knochenmasse und Skelettmuskelmasse, das zur unfreiwilligen Verminderung des Körpergewichtes führt. Kardiale Kachexie gilt als Prädiktor für eine erhöhte Mortalitätsrate. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Abnahme der Skelettmuskelmasse bei jedem fünften Herzinsuffizienzpatienten bereits vor einer merklichen Gewichtsabnahme besteht. Welche Rolle die Skelettmuskulatur für die Herzgesundheit spielt, wird durch Forschungen der letzten Jahre erstmals beleuchtet. Eine besondere Rolle scheinen Zytokine der Muskulatur zu spielen, die so genannten Myokine. Sie agieren autokrin, endokrin oder parakrin. Eines dieser Myokine ist Musclin, von dem bereits 2015 gezeigt wurde, dass es innerhalb des Skelettmuskels eine wichtige Funktion innehat (3).

Der Stoff wird in Abhängigkeit von körperlicher Aktivität ausgeschüttet und ist essenziell für die Anpassung des Skelettmuskels an Training. Mäusen, in denen das Musclin-Gen nicht mehr funktionierte, zeigten eine verminderte Toleranz auf körperliches Training. Bei fehlenden bzw. reduzierten Musclinmengen war die aerobe Kapazität signifikant geringer, mitochondriale Proteine und Proteinen der Atmungskette wurden weniger stark exprimiert. Die Wissenschaftler schlossen aus den Daten, dass Musclin die körperliche Ausdauer erhöht, in dem es die Biogenese von Mitochondrien fördert.

Musclin – bei Herzerkrankungen zu wenig vorhanden

Neuere Untersuchungen haben sich nun mit der Bedeutung von Musclin auf die Herzgesundheit beschäftigt, denn obwohl das Myokin im Skelettmuskel gebildet wird, gelangt es über das Blut ins Herz und entfaltet dort wichtige Wirkungen. Ein Forscherteam der Medizinischen Hochschule Hannover, der Universität Frankfurt, der Medizinischen Fakultät Mannheim und weiterer Forschungseinrichtungen hat sich anhand zweier Mausmodelle – einer Kohorte, die kein Musclin produzieren kann, und einer Kohorte, die zu viel davon bildet – die Auswirkungen bei Herzinsuffizienz angesehen (4). Bereits beobachtet wurde, dass Patienten mit Herzinsuffizienz einen stark erniedrigten Spiegel an Musclin aufweisen. Auch Patienten mit Vorhofflimmern haben niedrigere Plasma-Musclin-Konzentrationen als herzgesunde Personen (5).

Die aktuelle Untersuchung konnte nun zeigen, dass Mäuse, die kein Musclin bilden können, schneller eine Herzinsuffizienz entwickelten als Kontrolltiere. Eine Überexpression von Musclin verzögert sowohl die Verschlechterung der Herzinsuffizienz als auch eine Myokardfibrose (2, 4). Das Myokin agiert jedoch nicht alleine, sondern steht in enger Regulation mit dem System natriuretischer Peptide wie dem ANP, BNP und CNP. Es verhindert den Abbau der kardiologisch förderlichen natriuretischen Peptide, indem es mit ihnen um die Bindungsstelle am NP-abbauenden Rezeptor (NPR-C) konkurriert. Dadurch verbessert es letztendlich die Kontraktilität der Herzmuskelzellen. Von chronischer Herzinsuffizienz ist bekannt, dass die NP-Signalkaskade gestört ist.

Es könnte eine Option sein, die Musclin-Konzentration bei Herzerkrankungen wie Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern therapeutisch anzuheben. Ebenso scheint es sinnvoll, auf eine natürliche Erhöhung durch körperliche Aktivität und Muskelaufbau zu setzen. Dass Herzinsuffizienz-Erkrankte von Bewegung profitieren, konnte bereits gezeigt werden. Ob der Effekt vor allem durch eine erhöhte Bildung von Musclin zustande kommt, muss noch im Detail untersucht werden. Wahrscheinlich ist, dass Sport und eine Zunahme an Muskelmasse kardialer Kachexie entgegenwirken können.

Doch keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Neben den günstigen Effekten auf das Herz, scheint Musclin ungünstige Wirkungen auf den Glukosestoffwechsel zu haben. Untersuchungen zeigten einen Zusammenhang zwischen Musclin und der Insulinresistenz bei Fettleibigkeit (1).

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Chen WJ, Liu Y, Sui YB, Yang HT, Chang JR, Tang CS, Qi YF, Zhang J, Yin XH. Positive association between musclin and insulin resistance in obesity: evidence of a human study and an animal experiment. Nutr Metab (Lond). 2017; 14: 46. doi: 10.1186/s12986-017-0199-x

  2. Miyazaki T, Otani K, Chiba A, Nishimura H, Tokudome T, Takano-Watanabe H, Matsuo A, Ishikawa H, Shimamoto K, Fukui H, Kanai Y, Yasoda A, Ogata S, Nishimura K, Minamino N, Mochizuki N. A New Secretory Peptide of Natriuretic Peptide Family, Osteocrin, Suppresses the Progression of Congestive Heart Failure After Myocardial Infarction. Circ Res. 2018; 122: 742-751. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.117.312624

  3. Subbotina E, Sierra A, Zhu Z, Gao Z, Koganti SR, Reyes S, Stepniak E, Walsh SA, Acevedo MR, Perez-Terzic CM, Hodgson-Zingman DM, Zingman LV. Musclin is an activity-stimulated myokine that enhances physical endurance. Proc Natl Acad Sci U S A. 2015; 112: 16042-7. doi: 10.1073/pnas.1514250112

  4. Szaroszyk, M., Kattih, B., Martin-Garrido, A. et al. Skeletal muscle derived Musclin protects the heart during pathological overload. Nat Commun. 2022; 13: 149. doi:10.1038/s41467-021-27634-5

  5. Zhong Y, Zhang J, Tang K, Kou W, Xu S, Yang H, Liu L, Luan P, Mohammed AQ, Abdu FA, Zhao D, Li H, Peng W, Xu Y. Decreased plasma musclin levels are associated with potential atrial fibrillation in non-diabetic patients. Ann Transl Med. 2021; 9: 203. doi: 10.21037/atm-20-3259