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Fortsetzung Mentale Stärke im Leistungssport: Den Kopf und mit Köpfchen trainieren

Leere im Kopf

Auch Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Mainz hat das bei seiner Arbeit mit Athleten in den letzten 20 Jahren beobachtet. Allerdings beruht der Erfolg der von ihm betreuten Athleten auf einem etwas anderen Prinzip. Er konnte mittels EEG-Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise ein Shaolin-Mönch, der seit dem Alter von etwa sechs Jahren das Meditieren praktiziert, in Sekundenbruchteilen in einen Entspannungszustand (Aktivität der Alpha- und Theta-Frequenzen, 14–4 Hz) gelangt. »Man könnte sagen, dass in diesem Zustand Begrenzungen aufgehoben werden, die im normalen Wachzustand durch unsere Hirnaktivität gegeben sind. Dadurch ist es möglich, sportliche Höchstleistungen abzurufen«, erklärt Prof. Schöllhorn. Zudem fällt in diesem Zustand das Lernen leichter. Das Gehirn von Kleinkindern in den ersten fünf Lebensjahren arbeitet sehr viel im Bereich der Alpha- und Theta-Frequenzen. In dieser Zeit lernen Kinder so schnell und viel wie nie mehr danach.

Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn, Institut für Sportwissenschaft der Universität Mainz
Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn, Institut für Sportwissenschaft der Universität Mainz © Schöllhorn

Meditation verändert das Gehirn

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich das Gehirn durch Meditation umstrukturiert. Beispielsweise nimmt bei Menschen, die regelmäßig meditieren, die Dichte der Grauen Substanz in der Amygdala parallel zur Stressreduk­tion ab, wie Dr. Britta Hölzel vom Bender Institute of Neuro­imaging der Universität Gießen nachweisen konnte. Für Sportler können sich solche neuronalen Umstrukturierungen im Gehirn, die bei täglichem Meditieren bereits nach wenigen Monaten geschehen, in verbesserten Leistungen niederschlagen. Denn durch die für Meditation typische Achtsamkeit, also ein Sein und Agieren ausschließlich im Hier und Jetzt, wird der Sportler offen für die Signale, die ihm sein Körper sendet. Im Unterschied zu den Übungen der Fokussierung oder Visualisierung auf ein Ereignis oder einen Bewegungsablauf ist das Ziel der Meditation, den Kopf leer zu bekommen und sich seiner Wahrnehmung zu öffnen.

Vom Gleichschritt zur Individualität

Meditation alleine ist dennoch möglicherweise noch nicht ausreichend, um die Leistung merklich zu steigern. Doch in Kombination mit dem geeigneten Training zeigt es Effekte. Differenzielles Lernen setzt darauf, dass es keine gleichförmigen Wiederholungen gibt und keine Korrektur notwendig ist, sondern stetig neue Variationen erfolgen. Es setzt mehr darauf, die unbewussten Reaktions- und Lernmechanismen wirksam werden zu lassen und nicht durch das Bewusstsein und eine konkrete Vorgabe von Richtig und Falsch zu limitieren. Das Bewegungssystem organisiert sich in der Folge selbst und der Athlet entwickelt aus der Rückmeldung, die ihm sein Körper gibt, den optimalen Bewegungsablauf. Wissenschaftlich gezeigt wurde das in Untersuchungen aus den 1990er- und 2000er-Jahren. Selbst hochspezialisierte Sportler führen eine komplexe Bewegung niemals genau gleich aus. Daher setzt differenzielles Lernen auf unzählig viel Variation.

Eine Folge davon ist, dass das Training sehr viel individueller sein muss, als es heutzutage üblicherweise praktiziert wird. Doch letztendlich verbessern sich alle Athleten, während vom klassischen Wiederholungstraining zwar einige profitieren, viele aber ab einem gewissen Punkt nicht mehr. »Die Trainingslehre stammt ursprünglich aus dem militärischen Bereich, wo alle zum Gleichschritt gebracht werden sollten. Das funktioniert für einen Teil der Truppe, aber für kleinere oder größere Soldaten passt das nicht. Durch eine Individualisierung des Trainings und der Bewegungsabläufe findet jeder Sportler zu seinen individuellen Stärken«, erklärt Prof. Schöllhorn. Der Kreis schließt sich, da differenzielles Lernen zu meditationsähnlichen Gehirn-Zuständen im Alpha-/Theta-Bereich führt, wie Dr. Diana Henz, ebenfalls vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Mainz, zeigen konnte.

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