Ist Sport bei Post-COVID-Syndrom doch ok?
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Von einem Post-COVID-Syndrom (PCS) spricht man laut der interdisziplinären DGP-Leitlinie, wenn Patienten auch drei Monate nach ihrer Erkrankung noch typische Beschwerden haben. Im Unterschied dazu bezieht sich der Begriff „Long COVID“ auf direkt nach der Infektion bis maximal vier Wochen später anhaltende Symptome. Bisher empfiehlt die WHO Patienten mit Post-COVID-Syndrom Zurückhaltung bezüglicher sportlicher Aktivität. Auch die aktuelle S1-Leitlinie rät Betroffenen zu Schonung oder höchstens leichter Bewegung unter Aufsicht, um eine sogenannte Post-exertional Malaise (PEM), also krankhafte anstrengungsassoziierte Erschöpfung, zu vermeiden. Eine schwedische Studie stellt diese Ansichten nun jedoch in Frage (1).
Drei Trainingsarten auf dem Prüfstand
Um zu klären, welche Art und Intensität von Sport für Post-COVID-Patienten sicher ist, rekrutierte das Studienteam 31 wegen ihrer Erkrankung nicht hospitalisierte Personen (durchschnittliches Alter 46,6 Jahre, 77 Prozent Frauen), die seit mindestens drei und im Mittel 21,6 Monaten eine anhaltende PEM-Symptomatik zeigten. Als Kontrollgruppe dienten 31 gesunde Probanden (durchschnittliches Alter 47,3 Jahre, 74 Prozent Frauen).
Das randomisierte prospektive Crossover-Design der Studie zielte darauf ab, Erkenntnisse über die Verträglichkeit verschiedener Trainingsarten bei PCS zu gewinnen. Zu diesem Zweck absolvierten die Patienten je eine Übungseinheit aus den Kategorien hochintensives Intervalltraining (HIIT), mittel intensives Training mit gleichbleibender Belastung (MICT) und reines Krafttraining (ST) mit jeweils zwei bis vier Wochen Pause zwischen den Sitzungen. Abgefragt wurden zehn verschiedene PCS- und PEM-Symptome, darunter Muskelschmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentration, unmittelbar und 48 Stunden nach dem Training mittels visueller Analogskala (VAS) sowie weiterer Fragebögen. Stetige kardiopulmonale Überwachung stellte sicher, dass die Teilnehmer in einem sicheren Bereich trainierten. Blut- und Atemgasanalysen verfolgten mit Anstrengung assoziierte biochemische Werte, weitere Tests beurteilten z. B. die arterielle Steifheit, Symptome eines posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndroms (POTS) sowie relevante neurophysiologische Parameter, die auf potenzielle Myopathien hinweisen.
An der Fatigue vorbeisporteln?
Die Auswertung der Testreihen ergab, dass alle PCS-Patienten höhere Gesamtsymptomwerte hatten als gesunde Kontrollpersonen. Hauptsächlich berichteten sie über vermehrte Muskel- und Gelenkschmerzen nach dem HIIT- und Konzentrationsprobleme nach dem MICT-Übungsregime. Keine Trainingsart verschlechterte die Fatigue bei den untersuchten PCS-Patienten. Bei 62 Prozent der PCS-Gruppe wurden reversible leichte Anzeichen einer Myopathie gemessen und Krafttraining führte bei ihnen zu stärkerem Muskelkater. Lymphatische Beschwerden gingen in der Interventionsgruppe gegenüber Kontrollpersonen sogar zurück.
Bezüglich Spitzenherzfrequenz, RPE-(Rate of Perceived Exertion)-Score, Laktatkonzentration, IL-6/CK-Spiegel und respiratorischem Quotienten gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen und Trainingsarten. Negative Abweichungen der PCS-Gruppe hinsichtlich Kraftwerten, Blut- und Plasmavolumen, Schlagvolumen, VO2max, linksventrikulärem Durchmesser und arterieller Steifheit blieben in einem physiologisch vertretbaren Rahmen.
Fazit: Insgesamt liefern die Ergebnisse der Studie interessante Einblicke in die Belastbarkeit von Post-COVID-Patienten. Die Befunde deuten darauf hin, dass körperliche Betätigung Erschöpfungssymptome bzw. PEM nicht signifikant verschlechtert. Keines der durch Sport ausgelösten Symptome halten die Autoren für so gravierend, dass PCS-Patienten strikt inaktiv bleiben sollten. Im Gegenteil sprechen sie die Empfehlung aus, ein gewisses Maß an aerober Bewegung durchaus auszureizen, um eine weitere Dekompensation des muskuloskelettalen Systems zu verhindern. Angesichts der gut tolerierten körperlichen Betätigung in dieser Population könnten bestehende Richtlinien überarbeitet und individuell angepasste Übungen in bestehende Rehabilitationsprotokolle mit einbezogen werden.
Kura L
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Quellen:
Tryfonos A, Pourhamidi K, Jörnåker G, Engvall M, Eriksson L, Elhallos S, Asplund N, Mandic M, Sundblad P, Sepic A, Rullman E, Hyllienmark L, Rundqvist H, Lundberg TR, Gustafsson T. Functional Limitations and Exercise Intolerance in Patients With Post-COVID Condition: A Randomized Crossover Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2024; 7: e244386. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.4386