Genetic Profiling oder die Suche nach Sport- und Verletzungsgenen

Genetic Profiling oder die Suche nach Sport- und Verletzungsgenen
Im Profisport ist die Anfälligkeit für Muskelverletzungen ein Risikofaktor, der den Sieg gefährden kann. Wird künftig das genetische Profil mitentscheiden, wer zum Wettkampf antreten darf? © Alain Vermeulen/fotolia

Warum erleiden manche Sportler häufiger Muskelverletzungen als andere? Warum fallen die Verletzungen bei manchen schwerer aus? Und warum verläuft der Heilungsprozess bei manchen Sportlern schneller und bei anderen langsamer? Wissenschaftler vermuten, dass die Ursache unter anderem in der genetischen Konstitution zu finden sein könnte. Darum wird das so genannte Genetic Profiling und dessen Potenziale im Leistungssport vermehrt untersucht. Die Idee: Mithilfe genetischer Analysen soll die DNA von Leistungssportlern untersucht werden, um beispielsweise Verletzungsanfälligkeiten oder auch sportliche Leistungsfähigkeit oder »Talent« gezielt in den Genen aufspüren und z. B. durch Modifikation des Trainings oder der ausgeübten Sportart beeinflussen zu können. Zwillings­studien führten zu der Schätzung, dass 66 Prozent der sportlichen Leistungsfähigkeit genetisch bedingt sind. Andere, noch stärker erbliche Faktoren, die – je nach Sportart – eine Rolle spielen, sind Körpergröße und Statur (mesomorphe oder ektomorphe Somatotypen).

Ausdauerathlet oder Kraftsportler? Was die Gene verraten

In großen Studien wurden bislang zwei Gene identifiziert, die im Genom weg­weisen­den Charakter in Bezug auf die Art der sportlichen Leistungsfähigkeit zu haben scheinen: das ACE-Gen mit dem I/D-Polymorphismus und das ACTN3-Gen mit dem R577X-Polymorphismus. Der ACE I/I-Genotyp wurde vielfach mit höherer Ausdauerleistung und verbesserter Trainingseffizienz assoziiert. Der ACE D/D-Genotyp hingegen ist mit erhöhter Leistungsfähigkeit im Kraftbereich verknüpft. Beim ACTN3-Gen deutet der R/R-Genotyp auf besondere Fähigkeiten in kraftorientierten Leistungen, während Ausdauerathleten eher einen X/X-Genotyp aufweisen. Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass keiner der Genotypen als Mittel für eine prädiktive Aussage angesehen wird (1).

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Verletzungen durch Genetic Profiling vorbeugen?

Doch an genau solchen Vorhersagen arbeiten einige Wissenschaftler. Sie versuchen, über die Analyse von Single Nucleotide Polymorphism, kurz SNP, in diversen Genen Aussagen über das individuelle Verletzungsrisiko und -muster zu treffen. Das COL1A1-Gen codiert für die alpha-Kette des Typ1-Kollagens, einem Hauptbestandteil der Sehnen und Bänder. Ein bestimmter SNP hat eine verstärkte Expression des Gens zur Folge. Etwa vier Prozent der Sportler tragen zwei Kopien dieser Variation. Sie zeigen ein signifikant geringeres Risiko, einen vorderen Kreuzbandriss oder eine Tendinopathie der Achillessehne zu erleiden. Im COL1A1-Gen wurden noch weitere Polymorphismen gefunden, die beispielsweise mit Schulterluxation und schweren Muskelverletzungen assoziiert zu sein scheinen.

Eine schwedische Untersuchung hat die nicht kontaktbedingten Verletzungen der Muskulatur von 74 Profifußballern vom FC Barcelona über fünf aufeinanderfolgende Spielzeiten nach Schweregrad und Return- to-Play-Dauer beurteilt und zwölf SNP in acht Genen analysiert (2). Die Auswertung ergab für zwei bestimmte SNP im HGF-Gen sowie für einen Polymorphismus in SOX15 eine Assoziation mit der Verletzungsrate und Genesungsdauer, für IGF2, CCL2 und einen weiteren SNP im HGF-Gen eine Assoziation mit weniger schweren und für COL5A1 mit schwereren Muskelverletzungen.

Multifaktorielle Genese von Verletzungen

Die Ergebnisse sind spannend. Doch neben den genannten Genen spielen noch zahlreiche weitere Gene und Faktoren eine Rolle. Jede Sportart hat spezifische Anforderungen an die unterschiedlichen Körpersysteme, die sich teilweise extrem unterscheiden. Daneben wirken Umweltfaktoren wie Training, Ernährung, Stress, Wettkampfbedingungen, Klima oder Möglichkeiten der Regeneration auf die Athleten ein und beeinflussen sich gegenseitig. Auch wenn die Gene sicherlich eine Rolle spielen und durch Untersuchungen der genetischen Konstitution bestimmte Aussagen über Verletzungsaspekte oder Leistungsfähigkeit zukünftig möglich werden könnten, so sollte man doch kritisch hinterfragen, wem solche Erkenntnisse nützen, und abwägen, ob und wie Sportler davon profitieren können. Denn manchmal hat man auch einfach nur Pech.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Guth LM, Roth SM. Genetic influence on athletic performance. Curr Opin Pediatr. 2013; 25: 653-658. doi:10.1097/MOP.0b013e3283659087

  2. Pruna R, Artells R, Lundblad M, Maffulli N. Genetic biomarkers in non-contact muscle injuries in elite soccer players. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2016. doi:10.1007/s00167-016-4081-6