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Fortsetzung Ganzkörper-EMS in der aktiven Regeneration und Rückenschmerztherapie

Chronisch lumbaler Rückenschmerz: Ganzkörper-EMS als zeitsparende therapeutische Alternative

Die Evidenz, dass WB-EMS auch Ältere und weniger Trainierte voranbringt, wächst ebenfalls. Ein Team aus Deutschland, das schon lange intensiv zu EMS und Rückenschmerzen forscht, rekrutierte zwischen April 2017 und August 2018 110 Männer und Frauen im Alter von 40 bis 70 Jahren, die an unspezifischen, chronischen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule litten (3). Die Patienten wurden in zwei Trainingsgruppen aufgeteilt: Eine (n = 55) trainierte fortan einmal pro Woche 45 Minuten ohne WB-EMS-Anzug, eine zweite (n= 55) genausooft 20 Minuten mit WB-EMS. Die Intervention dauerte 12 Wochen.

Beide Gruppen absolvierten Übungen zur Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur. Die Übungen der Kontrollgruppe hatten schon in Studien ihre Effektivität unter Beweis gestellt, die Übungen für das Ganzkörper-EMS waren speziell gegen lumbale Rückenschmerzen entwickelt worden. Das Training der Kontrollgruppe bestand aus 15 Minuten Aufwärmen im aeroben Bereich, darauf folgte ein Zirkeltraining mit 10 Stationen. Die WB-EMS-Gruppe hingegen trainierte initial 12 Minuten, dann wöchentlich immer länger bis hin zu 20 Minuten pro Einheit. Jede WB-EMS-Trainingsrunde beinhaltete 6 Übungen.

Primärer Studienendpunkt war die durchschnittliche Schmerzintensität im Bereich der Lendenwirbelsäule. Sekundäre Studienendpunkte waren die isometrische Maximalkraft des Rückenstreckers, des Rückenbeugers sowie der Bauchmuskulatur. Wie erwartet nahm die mittlere Schmerzintensität in beiden Gruppen signifikant ab (mit WB-EMS: -22,3 ± 20,9 % versus Kontrollgruppe: -30,2 ± 43,9 %). Der Unterschied zwischen den Gruppen erreichte keine Signifikanz. Bei der maximalen isometrischen Kraft der Rumpf- und Bauchmuskulatur gab es ähnliche Ergebnisse: Rumpfstrecker, Rumpfbeuger sowie Bauchmuskulatur wurden signifikant gekräftigt, doch die Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe erreichten keine Signifikanz.

Somit erwiesen sich die konventionellen Trainings und die WB-EMS-Trainings als gleichwertig hinsichtlich der Therapie chronischer, unspezifisch lumbaler Rückenschmerzen. Das Training mit WB-EMS kann daher als zeitsparende, innovative Alternative zum ansonsten bewährten, aber mehr als doppelt so lang dauernden Rücken- und Bauchmuskel-Training betrachtet werden.

Risiken und Kontraindikationen

Die mehrere Muskelgruppen gleichzeitig ansteuernde, intensive Stimulation birgt allerdings auch Risiken, die aktuell noch erforscht werden. Vor allem bei vorher Untrainierten oder nach einem Übertraining kann es zur extremen Ausschüttung des Enzyms Creatin-Kinase (CK) kommen. Es zeigt Muskelschädigungen an, die beim Gesunden schnell repariert werden, aber auch in einer Rhabdomyolyse (auch Muskelzerfall genannt) und Nierenversagen münden können. Eine österreichische Übersichtsarbeit brachte 2019 die Ergebnisse aus 11 randomisiert-kontrollierten Studien, 3 Kohortenstudien und 7 Fallberichten aus den Jahren 2000 bis 2019 in einen Zusammenhang (2). Vor allem zu Beginn des Trainings ist demnach das Risiko für eine Rhabdomyolyse erhöht. Welche Konsequenzen die erhöhten CK-Werte für die Nieren und andere Organe haben, ist bisher ungeklärt. Die Autoren fordern nun die weitergehende Erforschung organischer und muskulärer Veränderungen nach WB-EMS-Trainings. Die Autoren empfehlen, Patienten mit Rhabdomyolyse in der Anamnese nicht zur WB-EMS zuzulassen.

Als absolute Kontraindikationen zur Nutzung des WB-EMS gelten derzeit

  • Fieber
  • entzündliche Erkrankungen
  • Blutungsneigung/Hämophilie
  • unbe­handelter Blut­hoch­druck
  • Herz­rhythmus­störungen
  • Arterio­sklerose
  • Neuronale Erkrankungen wie Epilepsie
  • Krebs
  • Herz­schritt­macher und andere Implantate
  • Schwangerschaften

Auch bei Diabetes mellitus, mit offenen Wunden sowie kurz nach einer Operation sollte in Absprache mit dem Arzt abgewogen werden, ob Ganzkörper-EMS infrage kommt oder ein zu großes Risiko bedeutet.

Insgesamt spricht alles dafür, dass es auf die Qualifikation der Trainer, eine intensive Anamnese und Betreuung der Trainierenden und die richtige Dosis ankommt. Wenn qualifizierte Trainer dafür geeignete Personen zum WB-EMS anleiten, und wenn Anfänger lediglich einmal pro Woche 20 Minuten trainieren, ist von einer hohen Sicherheit auszugehen.

■ Plaum P

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Quellen:

  1. Sañudo B, Bartolomé D, Tejero S, Ponce-González JG, Loza JP, Figueroa A: Impact of Active Recovery and Whole-Body Electromyostimulation on Blood-Flow and Blood Lactate Removal in Healthy People. Front Physiol. 2020; 11: 310. doi: 10.3389/fphys.2020.00310

  2. Stöllberger C, Finsterer J: Side effects of and contraindications for whole-body electro-myo-stimulation: a viewpoint. BMJ Open Sport Exerc Med. 2019; 5: e000619. doi: 10.1136/bmjsem-2019-000619

  3. Weissenfels A, Wirtz N, Dörmann U, Kleinöder H, Donath L, Kohl M, Fröhlich M, Von Stengel S, Kemmler W. Comparison of Whole-Body Electromyostimulation versus Recognized Back-Strengthening Exercise Training on Chronic Nonspecific Low Back Pain: A Randomized Controlled Study. Biomed Res Int. 2019; 5745409. doi: 10.1155/2019/5745409.