Differenzialdiagnostik mit dem Schwimmer-Test
Kommt es zu Schmerzen im Schulter-Hals-Bereich, ist häufig unklar, ob ein myofasziales Problem, eine Gelenksstrukturschädigung oder eine Reizung der Halswirbelsäule durch Nervenwurzelkompression vorliegt. Die Zuordnung der Beschwerden zu ihrer Ursache wird dadurch erschwert, dass die schmerzauslösenden Strukturen über Nervenbahnen eng miteinander verbunden sind. Eine präzise Diagnostik ist essenziell, um invasive oder ineffektive Behandlungsansätze zu vermeiden. Zwar verlaufen physiotherapeutische und orthopädische Untersuchungen typischerweise differenziert, doch kann eine genaue Lokalisation der Schmerzursache zeitaufwendig sein. Eine jüngst veröffentlichte Studie präsentiert den sogenannten Schwimmer-Test (auch Swimmer-Arm-to-Shoulder-Test, SAST) als ein unkompliziertes Verfahren, um durch eine aktive Funktionsprüfung zwischen zervikalen und glenohumeralen Problemen zu unterscheiden und damit die Diagnostik zu unterstützen (1).
Schnelle Orientierung mit dem Schwimmer-Test
Der Schwimmer-Test ist praxisorientiert und schnell durchführbar:
1. Ausgangsposition: Der Patient steht oder sitzt aufrecht. Der zu testende Arm ist entspannt neben dem Körper, der Ellbogen um 90° gebeugt.
2. Bewegungsablauf: Der Patient hebt den Ellbogen auf Schulterhöhe, der Unterarm wird parallel zum Boden gehalten (Abduktion), gefolgt von einer horizontalen Adduktion der Schulter (Schwimmerbewegung) und der Berührung der gegenüberliegenden Schulter mit der Hand.
3. Beobachtung und Befund: Der Test ist positiv, wenn die Bewegung Schmerzen in der Schulter von mindestens 3 auf der Visual Analog Skala (VAS) auslöst. Der Test ist negativ, wenn kein Schmerz in der Schulter auftritt.
Eine Besonderheit bei diesem Test ist die Betonung der Außen- und Innenrotation im Schultergelenk bei gleichzeitiger Flexion und Abduktion. Bei zervikalen Ursachen kann bereits das Anheben oder Drehen des Kopfes schmerzhaft sein. Taucht der Schmerz hingegen primär bei Drehbewegungen der Schulter auf, liegt die Ursache wahrscheinlich eher im Schultergelenk oder in umgebenden Strukturen.
Selten und Kollegen (1) analysierten die Validität und Reliabilität des Tests anhand von 718 Patienten mit unspezifischen Schulter- oder Nackenschmerzen. Die Ergebnisse zeigen:
■ Sensitivität und Spezifität: Der Test weist eine Sensitivität von 89,2 Prozent und eine Spezifität von 96,1 Prozent auf, wenn es darum geht, HWS-bedingte Schmerzen von Schulterbeschwerden zu unterscheiden.
■ Zuverlässigkeit: Der SAST zeigte eine hohe Übereinstimmung mit der Diagnose nach Goldstandard-Vorgehen.
■ Klinischer Nutzen: Besonders in der Erstdiagnostik oder als ergänzendes Verfahren in der physiotherapeutischen Praxis bietet der Test eine sinnvolle Unterstützung.
Praktische Relevanz für Sport und Therapie
Physiotherapeuten können den Schwimmer-Test unkompliziert in ihre Befundung integrieren und erhalten rasch Hinweise, ob eine fokussierte Behandlung der Halswirbelsäule oder des Schultergelenks angebracht ist. Sportmediziner und Orthopäden profitieren von einer zuverlässigeren Erstdiagnose, die eine gezieltere Bildgebung (z. B. MRT, Ultraschall) erleichtert.
Besonders für Athletinnen und Athleten mit unspezifischen Beschwerden im Nacken- oder Schulterbereich kann eine Früherkennung potenzieller Ursachen maßgeblich zur Vermeidung chronischer Beschwerden beitragen. Auch Trainer erhalten möglicherweise einen konkreten klinischen Hinweis darauf, wo die Schwerpunkte in der Trainingsmodifikation liegen sollten – beispielsweise durch Korrektur technischer Abläufe, Anpassung des Belastungsvolumens oder gezielte Übungen zur HWS- und Schulterstabilität.
Wie bei jedem klinischen Test gilt auch beim Schwimmer-Teast, dass er keine umfassende Diagnostik ersetzt. Faktoren wie individuelle Anatomie, Schmerzschwelle und die Tagesform des Patienten können das Ergebnis beeinflussen. Zudem empfiehlt sich die Kombination mit weiteren Funktions- und Provokationstests, um zu einer differenzierten Diagnose zu gelangen.
Nicht zuletzt kann der klinische Befund irreführend sein, wenn Begleitstrukturen (z. B. Bizepssehne oder subakromiales Engpasssyndrom) beteiligt sind, die sowohl an Nacken- als auch an Schulterschmerzen beteiligt sein können. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Physiotherapeuten und ggf. Radiologen ist daher essenziell.
■ Hutterer C
Quellen:
Hamoud H et al. Swimmer arm-to-shoulder test for early differentiation between shoulder and cervical spine pathology in patients with shoulder pain. BMC Musculoskelet Disord. 2024; 25: 940. doi:10.1186/s12891-024-08013-9