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Fortsetzung Dehnen und Faszientraining: Was bringt es für die sportliche Leistung?

Steifigkeit versus Geschmeidigkeit

Auch andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Fähigkeit der Kraftübertragung vom optimalen Verhältnis von Steifigkeit (Elastizität) und Geschmeidigkeit (Plastizität) abhängt. Interessante Untersuchungen dazu gibt es bei Läufern. Die Laufgeschwindigkeit hängt unter anderem davon ab, wie gut die durch das Aufsetzen des Fußes gespeicherte Energie beim Abdrücken vom Boden umgesetzt werden kann. Wenig überraschend ist, dass ökonomische Läufer kräftige Plantarflexoren haben. Doch auch der Sehnen-Aponeurosen-Komplex des Wadenmuskels (Trizeps surae) ist steifer (2).

Ob das zu einem geringeren Energieverbrauch führt, haben Kirsten Albrecht und Adamantios Arampatzis erforscht (1). Sie untersuchten den Gastronemicus medialis, einen Teil des Wadenmuskels, und ließen eine Testgruppe von erfahrenen Langstreckenläufern über 14 Wochen den Muskel-Sehnen-Komplex der Wade gezielt trainieren. Die Kontrollgruppe trainierte wie üblich. Die Läufer der Versuchsgruppe hatten im Anschluss eine um 16 Prozent signifikant verbesserte Steifigkeit der Band-Aponeurose-Verbindung. Das hatte zwar keine Änderungen der Bodenkontaktdauer oder anderer kinematischer Parameter zur Folge. Spannend waren aber die Veränderungen der metabolischen und respiratorischen Werte: Die Läufer der Interventionsgruppe reduzierten ihren Sauerstoff- und Energiebedarf um etwa vier Prozent. Nach Schätzungen bedeutet eine solche Einsparung eine Verbesserung der Laufzeit auf der Langstrecke um zwei bis vier Prozent.

Faszientraining für ein »straffes Fahrwerk«

Prof. Werner Klingler, Facharzt für Physiologie und Faszienforscher an der Universität Ulm, erklärt: »Damit Sportler die vorhandene Kraft effektiv auf die Straße bringen können, brauchen sie sozusagen ein straffes Fahrwerk. Die Kollagenfasern im Bindegewebe müssen straff sein und die Ausrichtung der Fasern zueinander muss passen. Dann können die gegensätzlichen Eigenschaften, nämlich die Zugfestigkeit und die Dehnbarkeit, optimal in Leistung umgesetzt werden.« Beeinflussen kann man die Verknüpfung der Kollagenfasern und damit die gewünschten Eigenschaften durch Faszientraining. Unidirektionale Bewegungen führen dazu, dass die beanspruchten Faszien sinnvoll verstärkt werden. Denkbar ist beispielsweise das Hochdrücken auf die Zehenspitzen, um die Wadenmuskulatur zu kräftigen. »Auch starke Dehnungsreize scheinen die Verdichtung der Kollagenfasern zu fördern«, sagt Prof. Klingler. Ebenso kann Faszienrollen sinnvolle Reize setzen.
Eisbaden als Alternative?

Ein Trend geht zum Eisbad. Paula Radcliffe, Usain Bolt und Michael Phelps sind davon überzeugt, dass das Baden in Eis nach einer intensiven Belastung zu einer geringeren Zahl an kleinen Muskelverletzungen, weniger verzögerten Muskelschmerzen (delayed onset muscle soreness), vermindertem Erschöpfungsgefühl und generell verbesserter Regeneration führt. Evidenz gibt es keine, es sind bislang nur vermutete oder gewünschte Effekte.

Eine Studie an Ratten zeigte sehr interessante Ergebnisse, die jedoch der Hoffnung auf eine schnellere Regeneration widersprechen (7). Ratten wurde eine Muskelverletzung zugefügt und eine Gruppe für 20 Minuten mit Eis behandelt. Es zeigte sich, dass die Rückbildung des nekrotischen Gewebes sowie die Differenzierung von Satellitenzellen verzögert ablief und die Muskelfasern nach 28 Tagen kleiner waren. Satellitenzellen im Muskel differenzieren sich zu Myoblasten und tragen so entscheidend zur Regeneration des Muskelgewebes bei. Nach diesen Ergebnissen scheint ein Eisbad vor allem kontraproduktiv zu sein. Doch die Forscher fanden noch einen weiteren Effekt. Signifikant höher war nach 28 Tagen das Verhältnis an Kollagenfasern in der Eis-Gruppe (8,9 ± 1,3 Prozent versus 18,7 ± 1,3 Prozent).

Auch die Verteilung war sehr unterschiedlich. Bei den Eis-Ratten war jede Muskelfaser von Kollagenfasern umgeben und hatte dadurch einen runden Querschnitt, während in der Kon­trollgruppe nur einzelne Kollagenfasern ohne spezielle Anordnung vorhanden waren. Durch die Eisbehandlung wird die Heilung der funktionalen Muskelzellen behindert; dafür erfolgt vermehrt Defektheilung mit der Bildung von Bindegewebe. An sich scheint das nachteilig, weil Muskelgewebe durch Bindegewebe ersetzt wird, erklärt Prof. Klingler. »Eine Hypothese ist, dass das Spitzensportlern mit viel Muskelmasse trotzdem einen Vorteil bringen könnte, weil dadurch das Bindegewebe steifer wird und vielleicht mehr Kraft auf den Untergrund übertragen werden kann, z. B. über die Achillessehne und den Fuß.« Ob oder welche Effekte das Vorgehen beim Menschen hat, ist noch nicht untersucht.

Auch wenn das klassische Dehnen inzwischen nicht mehr sinnvoll ist, so ist eine grundsätzlich gute Beweglichkeit aller Gelenke, Kapseln, Muskeln und des Bindegewebes beim Sport essenziell. Ob das mit Yoga, dynamischen Bewegungen wie etwa Movement Preps oder via Faszienrolle passiert, kann der Freizeitsportler nach Lust und Laune entscheiden. Leistungssportler trainieren heutzutage auch ihr Bindegewebe nach Trainingsplan.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Albrecht K, Arampatzis A. Exercise induced changes in trizeps surae tendon stiffness and muscle strength affect running economy in humans. Eur J Appl Physiol. 2013; 113: 1605-1615. doi:10.1007/s00421-012-2585-4

  2. Arampatzis A, De Monte G, Karamanidis K, Morey-Klapsing G, Stafilidis S, Brüggemann GP. Influence of the muscle-tendon unit's mechanical and morphological properties on running economy. J Exp Biol. 2006; 209: 3345-57. doi:10.1242/jeb.02340

  3. D’Anna C, Paloma FG. Dynamic stretching versus static stretching in gymnastic performance. Journal of Human Sport and Exercise. 2015; 1: 437. doi:10.14198/jhse.2015.10.Proc1.37

  4. Hahn D, Riedel TN. Residual force enhancement contributes to increased performance during stretch-shortening cycles of human plantar flexor muscles in vivo. J Biomech. 2048; 77: 190-193. doi:10.1016/j.jbiomech.2018.06.003

  5. Knapik JJ, Bauman CL, Jones BH, Harris JM, Vaughan L. Preseason strength and flexibility imbalances associated with athletic injuries in female collegiate athletes. Am J Sports Med. 1991; 19: 76-81. doi:10.1177/036354659101900113

  6. Raiteri BJ, Cresswell AG, Lichtwark GA. Muscle-tendon length and force affect human tibialis anterior central aponeurosis stiffness in vivo. Proc Natl Acad Sci USA. 2018; 115: E3097-E3105. doi:10.1073/pnas.1712697115

  7. Takagi R, Fujita N, Arakawa T, Kawada S, Ishii N, Miki A. Influence of icing on muscle regeneration after crush injury to skeletal muscles in rats. J Appl Physiol (1985). 2011; 110: 382-388. doi:10.1152/japplphysiol.01187.2010