Bandscheibendegeneration – Tissue Engineering und künstliche Bandscheiben

Bandscheibendegeneration – Tissue Engineering und künstliche Bandscheiben
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Bandscheibendegeneration zählt zu den Hauptursachen für eine Instabilität der Wirbelelemente und führt, besonders bei jungen Patienten, zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität. Chronische Rückenschmerzen und neurologische Ausfälle sind typische Beschwerden. Die Pathophysiologie der Bandscheibendegeneration ist noch nicht in Gänze geklärt, so dass präventive Maßnahmen begrenzt sind und sich auf allgemeine Empfehlungen zur Rückengesundheit beschränken. Man weiß jedoch, dass durch die Degeneration einer Bandscheibe und die damit verbundene Veränderung der Mechanik im betroffenen Bereich eine Kettenreaktion ausgelöst werden kann: Die Degeneration angrenzender Elemente und anderer spinaler Strukturen (Facettengelenke, Bänder, Muskeln) wird beschleunigt. Im Laufe der Zeit entsteht eine Spinalkanalstenose.

Tissue Engineering

In der Behandlung setzt man auf unterschiedliche Ansätze. Seit einigen Jahren drängt sich das so genannte Tissue Engineering als eine neue Therapieoption ins Blickfeld (2). Der Einsatz von Gerüststrukturen aus neuen Biomaterialien und passenden Zellen könnten die Regeneration degenerierter Bandscheiben ermöglichen. Die Forschungen konzentrieren sich darauf, Polymere zu entwickeln, die die mechanischen Eigenschaften der Bandscheibe imitieren. Neben einer günstigen strukturellen Basis muss ein künstliches Gerüst auch das Anwachsen und Überleben der bandscheibenspezifischen Zellen und der extrazellulären Matrik ermöglichen. Geforscht wird an verschiedensten Materialien, u. a. Kollagen, Seidenprotein, Chitosan (biologisch abbaubares Polymer aus dem Panzer von Krustentieren) und Alginat (lineares Polysaccharid aus Braunalgen und bestimmten Bakterien). Jede Substanz hat Vor- und Nachteile. Einer der wichtigsten Parameter ist, dass das Material vom Körper nicht abgestoßen werden darf.

Künstliche Bandscheiben

Daneben setzen Forscher und Mediziner auch auf künstliche Bandscheiben. Diese Prothesen werden erst seit etwa zehn Jahren eingesetzt und wurden in diesem Zeitraum fortwährend weiterentwickelt. Aufgrund der kurzen Erfahrung lässt sich derzeit noch nicht sagen, ob Bandscheibenprothesen langfristig, also auch Jahrzehnte nach der Implantation, funktional sein werden. Auch ob die Degeneration in angrenzenden Wirbelsegmenten dadurch aufgehalten werden kann, ist noch unklar. Doch im Prinzip besteht eine künstliche Bandscheibenprothese aus einem viskoelastischen Kern, der Stöße aufnehmen und abfedern kann, und einem flexiblen Ringerüst, das die Beweglichkeit bei Vor-, Rück- und Seitneigung ermöglicht.

Im Vergleich zur in der Vergangenheit üblichen Versteifung der Wirbelsäule sollen künstliche Bandscheiben und Tissue Engineering-Ansätze zu einer besseren Beweglichkeit im betroffenen Segment führen. Ob sich das bewahrheitet oder ob sich künstliche Bandscheiben im Laufe der Zeit lösen können oder das Gewebe verknöchert, kann noch nicht gesagt werden. Da unklar ist, wie eine Bandscheibenprothese auf schlechter werdende Knochenqualität reagiert, wird bislang bei Instabilitäten der Wirbelsäule und bei Osteoporose die Bandscheibenprothese nicht empfohlen.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Harmon MD, Ramos DM, Nithyadevi D, Bordett R, Rudraiah S, Nukavarapu SP, Moss IL, Kumbar SG. Growing a backbone - functional biomaterials and structures for intervertebral disc (IVD) repair and regeneration: challenges, innovations, and future directions. Biomater Sci. 2020. doi:10.1039/c9bm01288e

  2. Stergar J, Gradisnik L, Velnar T, Maver U. Intervertebral disc tissue engineering: A brief review. Bosn J Basic Med Sci. 2019; 19: 130-137. doi:10.17305/bjbms.2019.3778