Zugspannung in weichem Gewebe bewirkt höhere Stabilität

Zugspannung in weichem Gewebe bewirkt höhere Stabilität
Modell eines Kollagenproteins © molekuul.be / fotolia

Ingenieure der ETH Zürich haben herausgefunden, dass sich weiche biologische Gewebe unter Zugspannung ganz anders verformen als bisher angenommen: Die Gewebe verlieren bei einer Dehnung an Masse. Bei einer physiologischen Dehnung von 10 Prozent beträgt der Verlust durchschnittlich rund 50 Prozent. Bisher ging man davon aus, dass sich weiche biologische Gewebe zwar stark verformen können, ihr Volumen dabei aber unverändert bleibt. Prof. Edoardo Mazza und seine Arbeitsgruppe fanden heraus, dass die Flüssigkeit, die im Gewebe zwischen Zellen und Kollagenfasern eingelagert ist, aus dem gedehnten Bereich entweicht.

Grund dafür ist die Ausrichtung der Kollagenfasern im Gewebe: In einer Ebene bilden die Fasern ein flächiges Netz, in dem die Fasern in alle Himmelsrichtungen verlaufen und nur wenig Abweichung nach oben oder unten zeigen. Entsteht ein Zug auf das Geflecht, rücken die Kollagen­fasern, die in Zugrichtung liegen, enger zusammen und pressen die Flüssigkeit aus dem Gewebe. Lässt der Zug nach, strömt die Flüssigkeit zurück in das Gewebe.

Die Verdichtung der Kollagenfasern, das haben Experimente der Forschenden gezeigt, ist vor allem bei Verletzungen äußerst nützlich. Schneidet man ein gespanntes weiches Gewebe ein, bildet sich ein Riss. Doch an der Spitze des Risses rücken die Kollagenfasern enger zusammen und bewirken eine Verstärkung: »Wird das Gewebe dann weiter gespannt, reicht diese Verstärkung in der Regel aus, um zu vermeiden, dass der Riss weiter wächst«, erklärt Alexander Ehret aus der Arbeitsgruppe von Prof. Mazza an der ETH Zürich.

Anwendungsmöglichkeiten sehen die Forschenden im Tissue Engineering, mit dessen Hilfe verletztes Gewebe bei Patienten regeneriert oder ersetzt werden soll. Daten über das Deformationsverhalten von Muskeln, Sehnen und Bändern müssen erst noch erhoben werden, um einschätzen zu können, welches Potenzial sich für die Sportmedizin ergibt.

Hutterer C

Quellen:

  1. Ehret AE, Bircher K, Stracuzzi A, Marina V, Zündel M, Mazza E. Inverse poroelasticity as a fundamental mechanism in biomechanics and mechanobiology. Nat Commun. 2017; 8: 1002. doi:10.1038/s41467-017-00801-3