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Lösung aus dem Netz: Synthetische Spinnenseide für Medizinprodukte

Lösung aus dem Netz: Synthetische  Spinnenseide für Medizinprodukte
© Hutterer C

Die Natur diente schon häufig als Vorbild oder Inspiration für Entwicklungen in den verschiedensten Bereichen. Im Fall der biotechnologisch hergestellten Spinnenseide zeigt sich nun, dass die Anwendungsmöglichkeiten noch größer sind, als zunächst gedacht. Der Firma AMSilk, ein Spin-off der Technischen Universität München, ist es vor einigen Jahren gelungen, die biotechnologische Herstellung des Spinnenseide-Proteins durch Escherichia-coli-Bakterien zu etablieren und in den industriellen Maßstab zu skalieren (1). Dann entwickelten die Wissenschaftler und Ingenieure einen Prozess, in dem aus dem weißen Proteinpulver ein endloses Mono- oder Multifilament gesponnen werden kann.

Dessen Belastbarkeit und Zugfestigkeit ist vergleichbar mit den Werten der Fäden von Gartenkreuzspinnen. Tierische Seidenproteine können nur von Arthropoden (Insekten, Krebstiere, Spinnentiere, Tausendfüßler) hergestellt werden. Die Seide von Spinnen besteht aus den langkettigen Proteinen Fibroin (70–80 Prozent) und Sericin (20–30 Prozent), die für die besonderen Materialeigenschaften verantwortlich sind.

Biokompatibilität

Was die synthetische Spinnenseide zusätzlich interessant macht, ist die hohe Verträglichkeit für den Menschen: Die (künstliche) Spinnenseide wirkt nicht immunogen, inflammatorisch oder toxisch und wird vom Körper abgebaut. Damit eignet sich das Material sehr gut für den Einsatz in der Medizin, beispielsweise in der Beschichtung von Implantaten. Werden Silikonimplantate mit dem künstlichen Faden umsponnen, verringern sich die bekannten Entzündungsreaktionen auf den Fremdkörper Silikon und die Entstehung einer Kapselfibrose. Inzwischen werden auch Herniennetze, Stents und Katheter aus dem »Biosteel« hergestellt, denn das Material, das zehnmal dünner als ein menschliches Haar, aber fünfmal reißfester als Stahl ist, lässt sich auch im 3D-Drucker verarbeiten (2).

In absehbarer Zukunft könnte die Spinnenseide sich in der regenerativen Medizin etablieren. Ein Mix aus Spinnenseidemolekülen und lebenden Zellen, eine so genannte Biotinte, kann beim 3D-Druck von Haut- und Herzmuskelzellen gut eingesetzt werden. So könnten beispielsweise funktionale Gewebestrukturen gezüchtet werden, die funktionsunfähiges Herzmuskelgewebe oder Hautpartien ersetzen. In Schraubenform gepresst oder gedruckt, könnte die Seide sogar Metallprodukte oder resorbierbare Polymere zur Knochenheilung ablösen.