Wie Krafttraining die „zelluläre Müllabfuhr“ ankurbelt

Wie Krafttraining die „zelluläre Müllabfuhr“ ankurbelt
© Surachate / Adobe Stock (KI generiert)

Die Entsorgung beschädigter Zellbestandteile ist entscheidend für die Gesundheit von Geweben und Organen: Nur wenn „verbrauchtes“ Zellmaterial regelmäßig abtransportiert wird, können Zellen ungestört funktionieren. Bekannt ist: Verbleiben schadhafte Gewebe im Organismus, kann dies etwa galoppierende juvenile Muskelschwäche, Herzversagen oder verschiedene neurologische Erkrankungen wie z. B. das sog. Charcot-Marie-Tooth-Syndrom zur Folge haben, bei dem Betroffene durch das Absterben von Nervenfasern in den Extremitäten nach und nach die Kontrolle über Arme und Beine verlieren. Für Leistungssportler sind Autophagieprozesse relevant, weil Muskeln und Nerven durch die große Beanspruchung einem höheren kontinuierlichen Verschleiß unterworfen sind. Kennt man die genauen Mechanismen, ist es möglich, den Selbstreinigungsprozess durch förderliche Verhaltensweisen zu unterstützen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Bonn hat nun entdeckt, dass das in diesem Zusammenhang wichtige Protein BAG3 durch Krafttraining aktiviert wird. Dies könnte neue Therapieansätze eröffnen (1).

Im Bereich Zellmüllentsorgung spielt das Protein BAG3 eine zentrale Rolle: Es erkennt beschädigte Zellkomponenten, markiert sie und löst eine Ummantelung durch Zellmembranen aus – ähnlich einem Müllbeutel. Das so entstehende sog. Autophagosom wird anschließend zerlegt und kann dann entweder als Baumaterial für neue Gewebe wiederverwertet oder aber abtransportiert werden. Das Studienteam wies an Nervenfasern von Charcot-Marie-Tooth-Patienten nach, dass das Absterben bewegungsrelevanter Nerven bei manchen Ausprägungen des Syndroms durch eine Dysregulation der BAG3-Entsorgungsprozesse getriggert wird.

Womit die Forscher nicht gerechnet hatten, war die Rolle bestimmter Phosphatgruppen an der Aktivierung von BAG3. Denn anders als andere Proteine wird BAG3 in Muskelzellen nicht durch die Anheftung (Phosphorylierung), sondern durch die Entfernung von Phosphatgruppen durch entsprechende Enzyme – sog. Phosphatasen – aktiviert. In der Praxis bedeutet das, dass ruhende Muskulatur phosphoryliert ist und eine ausreichende Ausschüttung von Phosphatasen nötig ist, um zelluläre Abfallstoffe abzuspalten und erfolgreich der Autophagie zuzuführen.

Momentan arbeiten die Forscher an der Identifizierung der exakten Enzyme, die BAG3 funktionsbereit halten, damit dieses seine wichtige Arbeit tun kann. Künftig könnte dann gegebenenfalls mit passenden pharmakologischen Interventionen auf das Fortschreiten degenerativer Muskel- und Nervenerkrankungen oder den Muskelschwund bei bettlägerigen Patienten eingewirkt werden. Auch für die Sportmedizin sind diese Erkenntnisse relevant: „Wir wissen nun, welche Trainingsintensität für die Aktivierung des BAG3-Systems nötig ist“, erklärt Prof. Sebastian Gehlert von der Universität Hildesheim. Diese Einsicht verbessert nicht nur das Training von Spitzensportlern, sondern auch die Rehabilitation von Patienten.

■ Kura L

Quellen:

  1. Ottensmeyer J, Esch A, Baeta H, Sieger S, Gupta Y, Rathmann MF, Jeschke A, Jacko D, Schaaf K, Schiffer T, Rahimi B, Lövenich L, Sisto A, van der Ven PFM, Fürst DO, Haas A, Bloch W, Gehlert S, Hoffmann B, Timmerman V, Huesgen PF, Höhfeld J. Force-induced dephosphorylation activates the cochaperone BAG3 to coordinate protein homeostasis and membrane traffic. Curr Biol. 2024; 34: 4170-4183. doi:10.1016/j.cub.2024.07.088