Virale Atemwegsinfekte im Leistungssport: viele offene Fragen

Virale Atemwegsinfekte im Leistungssport: viele offene Fragen
© mi_viri / Adobe Stock

Zahlreiche sportimmunologische Studien legen einen Zusammenhang zwischen respiratorischen Virusinfektionen und intensiver Sportausübung nahe. Die insgesamt vermehrte Infektanfälligkeit von Ausdauersportlern gegenüber normal Trainierenden ist gut dokumentiert, wenngleich vorhandene Studien aufgrund methodischer Unterschiede nur schwer vergleichbar sind, wie ein systematischer Review aus dem Jahr 2009 zeigt (2). Da die meisten Atemwegsinfekte viraler Natur sind, erstaunt es umso mehr, dass hochwertige Langzeitstudien dazu weitgehend fehlen. Eine Gruppe finnischer Wissenschaftler um Dr. Olli Ruuskanen hat deshalb auf der Suche nach Antworten die vorhandene Literatur analysiert (3).

Höhere Anfälligkeit für Atemwegsinfekte

Gerade einmal fünf Studien lieferten belastbares Material; die zwei ältesten aus den Jahren 2007 und 2008 führten aufgrund niedriger Viren-Nachweisraten von nur 26 Prozent vorerst zu der Annahme, die Mehrzahl der respiratorischen Symptome bei Sportlern seien nicht-infektiöser Art. Eigene Studien des Autorenteams hingegen hatten bei 77 Prozent der inkludierten Wintersportler mit akuten Atemwegssymptomen eine virale Ätiologie festgestellt, was etwa der Prävalenz in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung entspricht. Eine weitere aktuelle Studie fand während der zweiwöchigen Ski-Weltmeisterschaft 2019 im Team Finnland eine um den Faktor sieben höhere Rate an viralen Infektionen als bei der zuhause gebliebenen normal trainierenden Kontrollgruppe. Das Risiko der Wettkampfteilnehmer war außerdem doppelt so hoch wie bei ihren Betreuern, die den gleichen Umständen wie Reisen, gemeinsame Unterbringung und Menschenansammlungen ausgesetzt waren (4). Berichtet wurde auch von Athleten, die nach einer einzigen langen Leistungseinheit vermehrt akute Atemwegssymptome aufwiesen.

Weniger schwere Symptome als bei der Allgemeinbevölkerung

Interessanterweise haben Leistungssportler trotz der angenommenen anstrengungsinduzierten Immunsuppression meist eine niedrige Viruslast und kurze Virenausscheidung. Ihre Symptomatik (u. a. Rhinitis, Halsschmerzen, Niesanfälle, Husten) ist regulär mild und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bis zur Hälfte erniedrigt; Fieber tritt nur vereinzelt auf. Bakterielle Manifestationen mit Beteiligung von Tonsillen, Ohren, Nebenhöhlen oder Lunge sind hingegen auffallend selten. Die genannten Erkenntnisse gelten auch für COVID-19-Infektionen, wie z. B. eine multizentrische Studie in den größten nordamerikanischen Profisportligen belegt: Unter 789 an COVID-19 erkrankten Sportlern wurden weder eine besondere Prädisposition noch schwere Symptomatiken, gehäufte Fälle von Myokarditis oder Long Covid nachgewiesen (1).

Virale Atemwegsinfekte lassen sich am sinnvollsten durch pauschale Risikovermeidung einerseits und eine Stärkung des Immunsystems andererseits vermeiden. Die Einnahme von Vitamin D und C, die Sorge für ein gesundes Darmmikrobiom sowie ein lückenloser Impfschutz werden empfohlen. Durch die COVID-19-Pandemie wurde klar, wie wirkungsvoll vor allem physische Distanzierung die Verbreitung von Virusinfektionen eindämmen kann: Auch andere respiratorische Erkrankungen gingen im Rahmen der pandemieassoziierten Maßnahmen signifikant zurück. Ob derart strenge Strategien jedoch zielführend sind und vor allem auf Dauer gesellschaftlich akzeptabel wären, ist zu bezweifeln (3).

Die Teilnahme viral erkrankter, nicht fiebernder Athleten am Training oder an Wettkämpfen scheint laut mehrerer Studien weder die Krankheitsdauer zu verlängern noch die Symptome zu verschlimmern, auch wenn damit oft Performanceverluste einhergehen. Da aber jeder virale Infekt das potenzielle Risiko einer Myokarditis birgt, plädieren die finnischen Review-Autoren für einen vorsichtigeren und maßvolleren Return-to-Sport (3).

Unklare Datenlage

Die Datenlage ist also sehr unklar, weshalb der Review von Ruuskanen et al. wichtige Eckpunkte bezüglich respiratorischer Virusinfektionen bei Athleten beleuchtet und daraus offene Fragen mit weiterem Forschungsbedarf ableitet. Sie schlagen vor, im Rahmen künftiger Studien zu klären, warum Ausdauersportler anfälliger für Atemwegsinfektionen sind als normal trainierende Kontrollpersonen und warum manche Athleten häufig an respiratorischen Virusinfektionen erkranken und andere nicht. Außerdem plädieren sie für weitere Forschungen, die die gesundheitlichen Folgen und Risiken – z. B. durch einen zu frühen Return-to-Sport beleuchten.

Kura L

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!

Quellen:

  1. Martinez MW, Tucker AM, Bloom OJ, Green G, DiFiori JP, et al. Prevalence of Inflammatory Heart Disease Among Professional Athletes With Prior COVID-19 Infection Who Received Systematic Return-to-Play Cardiac Screening. JAMA Cardiol. 2021; 6: 745-752. doi:10.1001/jamacardio.2021.0565

  2. Moreira A, Delgado L, Moreira P, Haahtela T. Does exercise increase the risk of upper respiratory tract infections? Br Med Bull. 2009; 90: 111-31. doi:10.1093/bmb/ldp010

  3. Ruuskanen O, Luoto R, Valtonen M, Heinonen OJ, Waris M.Respiratory Viral Infections in Athletes: Many Unanswered Questions. Sports Med. 2022; 52: 2013-2021. doi:10.1007/s40279-022-01660-9

  4. Valtonen M, Grönroos W, Luoto R, Waris M, Uhari M, Heinonen OJ, Ruuskanen O. Increased risk of respiratory viral infections in elite athletes: A controlled study. PLoS One. 2021; 16: e0250907. doi:10.1371/journal.pone.0250907