Psychologische Muster für exzessives Sporttreiben bei Essstörungen identifiziert

Psychologische Muster für exzessives Sporttreiben bei Essstörungen identifiziert
© Monet / Adobe Stock

Zwanghafter, übermäßiger Sport, wie ihn nachgewiesenermaßen viele Patienten mit Essstörungen betreiben, kann für die Gesundheit negative Folgen haben. Eine neue Studie (1) gibt nun Einblicke in die psychologischen Mechanismen, die dem exzessiven Sport zugrunde liegen, und zeigt so Möglichkeiten für Therapieansätze auf. Für die Untersuchung hat ein deutsches Forscherteam die Stimmung und Kognitionen von 29 Patientinnen mit Essstörungen (überwiegend Bulimie und Anorexie) und 35 gesunden Probandinnen mittels mmbulantem Assessment verglichen.

Hierfür trugen die Teilnehmerinnen eine Woche lang einen Beschleunigungssensor und füllten elektronische Tagebücher auf ihren Smartphones aus. Die Aufforderung für einen Tagebucheintrag war dabei nicht nur zeit-, sondern auch aktivitätsabhängig. So gelang es den Forschern, einen Eindruck der Stimmung und Kognition der Patientinnen sowohl im Verlauf vor, als auch nach dem Sport zu bekommen.

Zunächst wurde für jede Studienteilnehmerin eine persönliche Null-Linie für die erhobenen Parameter berechnet. Erwartungsgemäß hatten Patientinnen mit Essstörungen im Schnitt eine höhere Anspannung, höhere Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie einen größeren Drang, dünn zu sein, als die Vergleichsgruppe. Außerdem waren sie weniger energiegeladen und gaben schlechtere Stimmung an. In Verbindung mit dem Beschleunigungssensor konnten die Forscher nun die Abweichung von der individuellen Null-Linie im Zusammenhang mit sportlicher Aktivität bestimmen.

Unzufriedenheit als Antrieb für Sport

Während bei den gesunden Testpersonen ein Gefühl hoher Energieladung häufig zu Sport führte, konnte dieser Zusammenhang bei Patientinnen mit Essstörungen nicht gezeigt werden. Dafür deuten bei diesen die Daten eine andere Verbindung an: Vor dem Sport kam es zu einem systematischen Abfall der Stimmung, einem Anstieg der Werte für die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und dem Drang, dünn zu sein.

Auch die sportbedingten Effekte unterschieden sich zwischen der Patienten- und Kontrollgruppe. Bei beiden kam es zu einer positiven Veränderung der Stimmung. Darüber hinaus veränderten sich in der Patientengruppe auch die Kognitionen zur Körperunzufriedenheit und dem Drang, dünn zu sein: Sie waren kurz nach dem Sport sehr niedrig, näherten sich dann aber binnen drei Stunden wieder dem persönlichen Mittelwert der Studienteilnehmerinnen an.

Diese Einblicke in die Zusammenhänge von Stimmung, Kognition und Sportverhalten lassen den Schluss zu, dass Patientinnen mit Essstörungen Sport gezielt einsetzen, um ihre Stimmung und negative, mit der Essstörung zusammenhängende Gedanken zu kontrollieren. Durch das rasche Abklingen des positiven Effekts kann jedoch auch ein Teufelskreis ausgelöst werden: Immer häufiger und/oder intensiver wird Sport getrieben, um (kurzfristig) Zufriedenheit zu erlangen. Um diesen gefährlichen Kreislauf zu durchbrechen, fehlen den Patientinnen dann häufig die entsprechenden Coping-Strategien. An dieser Stelle könnten Therapiemaßnahmen gezielt ansetzen.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Reichert M, Schlegel S, Jagau F, Timm I, Wieland L, Ebner-Priemer U, Hartmann A and Zeeck A. Mood and Dysfunctional Cognitions Constitute Within-Subject Antecedents and Consequences of Exercise in Eating Disorders. Physother Psychosom. 2020; 89: 119-121. doi:10.1159/000504061