Nonresponder, Low responder, Hardgainer: Was tun, wenn der Trainingseffekt ausbleibt?

Nonresponder, Low responder, Hardgainer: Was tun, wenn der Trainingseffekt ausbleibt?
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Sportliche Aktivität erhöht die Lebensqualität und hilft Menschen dabei, bis ins hohe Alter fit und gesund zu bleiben. Doch etwa jeder Fünfte scheint von Training kaum oder zumindest deutlich weniger zu profitieren als andere (6). Diese Personen nennt man »Nonresponder«, »Low responder« oder »Hardgainer«. Ob es das Phänomen der Trainingsresistenz tatsächlich gibt oder ob eine ganz andere logische Erklärung dahintersteckt, wird seit Jahren diskutiert. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander.

Nonresponder: eine Begriffsdefinition

Als Nonresponder bezeichnet man Menschen, die auf eine Therapie nicht ansprechen oder – z. B. durch eine gesundheitssportliche Maßnahme – keinen messbaren, im ungünstigsten Fall sogar gegenteiligen Trainingseffekt erreichen. Prof. Dr. Friederike Rosenberger, Sportwissenschaftlerin und Co-Leiterin der AG Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am NCT Heidelberg, erklärt, warum allein schon der Begriff mit Vorsicht zu gebrauchen ist: »Zunächst muss man ja definieren, welche von vielen infrage kommenden Messgrößen durch das Training verändert werden soll. In den meisten Studien geht es um die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max). Bei der genauen Definition von Nonresponse ist es aus meiner Sicht aber wichtig, die individuelle Tag-zu-Tag-Schwankung der Messgröße zu berücksichtigen: Nur eine Veränderung um mehr als diese Schwankung würde ich als echten Effekt bezeichnen. Dieses Kriterium setzen wir z. B. gerade in einer Ausdauerstudie in Saarbrücken ein, die ich zusammen mit Prof. Tim Meyer und anderen Kollegen initiiert habe.«

Dr. Cora Weigert, Professorin für Molekulare Diabetologie am Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie des Universitätsklinikums Tübingen, geht noch einen Schritt weiter: »Ich würde den Begriff Nonresponder am liebsten ganz vermeiden, weil er impliziert, dass er als allgemeingültige Eigenschaft nicht durch die Art des Trainings beeinflusst werden kann. Wir verwenden daher nur noch den Begriff ,Low responder‘ und definieren ihn detailliert: Welche Parameter werden bei welchem Training gemessen und welche Veränderungen sehen wir als relevant an? Noch besser wäre es, von einer individuellen Response zu sprechen. ,Hardgainer‘ trifft es eigentlich auch gut, wird aber  im wissenschaftlichen Kontext kaum verwendet.«

Erben verpflichtet

Mitte der 1990er-Jahre wurde mit der HERITAGE-Studie erstmals der Versuch unternommen, Nonresponse systematisch zu erforschen. Dabei stellte sich heraus, dass ein Nichtansprechen verschiedener Messwerte wie VO2max oder Glukosetoleranz auf Ausdauertraining in Familien statistisch gehäuft auftritt. Daraus sowie aus älteren Zwillingsstudien leitete das Autorenteam für trainierbare Fitness eine genetische Komponente von bis zu 50 Prozent ab. Dass manche Menschen qua genetischer Disposition zu Nicht-Adhärenz bei Sportprogrammen neigen könnten, hat eine US-amerikanische Forschergruppe herausgefunden (5). Seitdem betrachteten zahlreiche weitere Studien die Thematik aus unterschiedlichsten Blickwinkeln – und mit Ergebnissen, die ebenso gegensätzlich wie schwer vergleichbar sind (7, 8).

Prof. Dr. Friederike Rosenberger, Sport­wissenschaftlerin und Co-Leiterin der AG Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg
Prof. Dr. Friederike Rosenberger, Sport­wissenschaftlerin und Co-Leiterin der AG Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg © Rosenberger

Nur scheinbar widersprüchlich

Erst bei genauerem Hinsehen erschließt sich, dass fast keine Analyse umfassend genug konzipiert ist, um die Frage nach der Existenz von Nonrespondern eindeutig zu klären. So hat etwa das Team von Prof. Weigert in einer Trainingsintervention zur Diabetesprävention molekulare Anpassungsleistungen an sportliche Aktivität untersucht (2). Statt nur der VO2max standen dabei Faktoren wie Glukosetoleranz und Insulinsensitivität im Fokus. Bei manchen Teilnehmenden fand keine nennenswerte Veränderung dieser Parameter statt – sie waren definitionsgemäß Non- bzw. Low responder, obwohl alle ihre körperliche Fitness verbessern konnten. In Muskelbiopsien fanden die Wissenschaftler eine ausbleibende Reaktion derjenigen Gene, welche für die Fett- und Zuckerverbrennung essenziell sind. Stattdessen zeigten die Muskeln Anzeichen leichter subklinischer Entzündung sowie eine erhöhte Aktivität des Proteins TGF-β. Dieses ist für die Reparatur von Mikro-Muskelläsionen zuständig, hemmt jedoch gleichzeitig die Insulinwirkung auf Muskelzellen. In der Folge trat kein messbarer Effekt ein, was man mindestens partiell als Nachweis von Nonresponse werten kann – inklusive schlüssiger Erklärung.

Eine von mehreren Studien, die an der Existenz »echter« Nonresponder zweifeln, kommt aus der Schweiz. Hier absolvierten die Teilnehmenden ein sechswöchiges Ausdauertraining in fünf Stufen (ein- bis fünfmal wöchentlich). Bei allen zwei- bis fünfmal wöchentlich Trainierenden verbesserten sich VO2max und muskuläre Mitochondriendichte mehr oder weniger signifikant. Aus der Gruppe der nur einmal wöchentlich Trainierenden hatten im Mittel 31 Prozent keinen Effekt, konnten jedoch nach weiteren sechs Wochen mit zwei zusätzlichen wöchentlichen Trainingseinheiten ebenfalls Erfolge verzeichnen. Damit lag die Nonres­ponder-Rate faktisch bei Null, was die Autoren zu der Aussage veranlasste, dass ab einer gewissen Sport-Dosis jeder profitiert (6).

Prof. Weigert findet die Diskrepanzen logisch: »Zunächst wurden ja ganz unterschiedliche Kollektive untersucht. In unserer Studie etwa handelte es sich um übergewichtige, untrainierte Menschen mittleren Alters; die Schweizer Gruppe bestand aus jungen, sportlich aktiven Menschen. Wir haben diabetesrelevante Parameter gemessen, die andere Studie konzentrierte sich rein auf kardiorespiratorische Fitness. Bei den jungen Sportlern wäre der von uns beschriebene Mikroinflammations-Mechanismus sicher gar nicht erst aufgetreten, weil der ungewohnte Trainingsreiz hauptsächlich in ungeübten Muskeln zu entzündlichen Prozessen führt. Deshalb sollten solche Personen unserer Meinung nach lieber länger, aber dafür weniger intensiv trainieren oder erst einmal Kraft aufbauen. Am wichtigsten ist Regelmäßigkeit.«

Irgendwas geht immer

Dass hohe Nonresponder-Raten bezüglich eines bestimmten Parameters nicht zwingend aussagekräftig sind, bestätigt Prof. Rosenberger. Sie hat in einer Interventionsstudie an gesunden Untrainierten beobachtet, dass sich bei 24 Prozent der Probanden trotz Training die VO2max nicht veränderte. »Doch das heißt nicht, dass diese Menschen gar nicht profitiert hätten. Wir haben eine ganze Reihe an Messgrößen erhoben und gesehen, dass bei den VO2max-Nonrespondern z. B. die individuelle anaerobe Schwelle, die Ruhe-Herzfrequenz oder die Herzfrequenz während submaximaler Belastung Anpassungen zeigten. Alle haben also auf den Trainingsreiz reagiert, nur eben nicht unbedingt mit einem Anstieg der VO2max.« Sowieso ist nicht immer nur Ausdauertraining zielführend: Manche Menschen erzielen durch reine Kraftübungen tatsächlich bessere kardiorespiratorische Ergebnisse – oder brauchen schlicht eine andere Art von Anstrengung, etwa Sprintintervall- statt Ausdauertraining (7).

Alles eine Frage der Statistik?

Mehrere empfehlenswerte Übersichtsarbeiten haben sich mit der statistischen Komponente von Response-/Nonresponse-Evaluierungen befasst. Herausforderungen sind u. a. Interpretationsschwierigkeiten durch das Fehlen von Kontrollgruppen, die Unmöglichkeit, ein Individuum mehrfach die gleiche Intervention »from scratch« durchlaufen zu lassen sowie das Objektivitätsdilemma von Prä-/Post-Interventions-Tests, die von zahlreichen Einflüssen abhängen (7, 8). An der Universität des Saarlandes entstand unter Federführung von PD Dr. med. Anne Hecksteden, die zu Individualisierung in der Sportmedizin habilitiert hat, eine Analyse individueller Response aus statistischer Sicht. Ihr Fazit: Trainingseffekte müssen stets vor dem Hintergrund intraindividueller Schwankungen und am besten mit einem hohen Detaillierungsgrad bezüglich der gewählten Parameter betrachtet werden. Um gar Vorhersagen treffen zu können, bräuchte es aber ein multivariates, Interaktionen einbeziehendes Testmodell, das die physiologischen Umstände jedes einzelnen Athleten berücksichtigt. Eine schwierige Aufgabe (4).

Prof. Dr. rer. nat. Cora Weigert, Professorin für Molekulare Diabetologie, Institut für Klinische Chemie und Pathobio­chemie am Universitäts­klinikum Tübingen.
Prof. Dr. rer. nat. Cora Weigert, Professorin für Molekulare Diabetologie, Institut für Klinische Chemie und Pathobio­chemie am Universitäts­klinikum Tübingen. © Weigert

Individuelle Response in der Trainingspraxis

Auf die Frage, wie man die aktuellen Forschungsergebnisse in die Trainingspraxis übertragen könnte, sagt Prof. Dr. Meyer, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes: »Viel Individualisierung erfolgt ja quasi intuitiv, indem man ,seinen Athleten‘ und dessen besondere Reaktionsformen kennt und bei der Trainingsplanung berücksichtigt. Im Individualsport dürfte eine Realisierung verschiedener Trainingspläne nebeneinander nicht allzu viele Schwierigkeiten bereiten. Im Mannschaftssport kann das schon schwieriger sein. Dort erfolgt Individualisierung entweder im Kraft- und Fitnesstraining oder indem man einzelne Sportler aus Teilen oder ganzen Trainingseinheiten herausnimmt. Was ich leider kaum sehe, ist eine Anwendung von Individualisierungsalgorithmen, obwohl die teilweise zu einer sehr brauchbaren Veranschaulichung auch für Trainer führen. Allerdings erfordern sie nicht selten eine hohe Testdichte, d. h. die Bereitschaft, oft getestet zu werden.«

Prof. Rosenberger wünscht sich eine solche regelmäßige Überprüfung jeweils relevanter Zielgrößen durch möglichst einfache Assessment-Maßnahmen auch im Gesundheitssport: »Die Leistungsfähigkeit lässt sich beim Krafttraining relativ einfach überprüfen, indem man die Gewichte im Auge behält. Beim Ausdauertraining können Strecken oder Zeiten erfasst oder kleine, submaximale Tests integriert werden. Fitness-Tracker können, richtig eingesetzt, ebenfalls geeignet sein. Bleiben die gewünschten Effekte aus, kann der Trainingsreiz verändert werden.« Zusätzlich plädiert sie für einen insgesamt wohltuenden Lebensstil mit ausreichend Schlaf, ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung auch außerhalb des Sports: »Neben Alter, Geschlecht und Genen, die wir nicht beeinflussen können, haben wir damit einen wesentlichen Schlüssel nicht nur für ein gesünderes Leben, sondern auch für bessere Trainingsresponse in der Hand.« Zahlreiche Studien geben ihr recht (7).

Früh die Saat für Trainingserfolg legen

Einer von vielen Faktoren für die individuelle Trainingsresponse liegt übrigens in unseren kleinsten Bausteinen: den Zellkernen. Sowohl Maus- als auch Menschenmodelle haben gezeigt, dass hohe physische Aktivitätslevel während der Jugend die Zahl der Nuclei in den Muskelzellen erhöhen. Norwegische Wissenschaftler bestätigen, dass diese sogar über lange Trainingspausen hinweg erhalten bleiben und bei erneuter sportlicher Aktivität im Erwachsenenalter dafür sorgen, dass die für Kraft- und Ausdaueraufbau zuständigen Strukturen im Sinne zellulärer Plastizität schnell wieder anspringen. Auf diese »epigenetische Toolbox« haben wir ein Leben lang Zugriff (1, 3).

Für Prof. Weigert ergibt sich daraus ein motivierender Ansatz für Gesundheitserziehung und Prävention: »Solche faszinierenden Studienergebnisse machen klar, wie wichtig Bewegung bereits in frühester Jugend ist. Das halte ich für deutlich sinnvoller als DNA-Tests, die das optimale Training für einen Menschen vorschlagen sollen.« Insgesamt sollte man sich von den vielen Einzelaspekten in Sachen Trainingsresponse nicht einschüchtern lassen. Sport wirkt auf so vielen Ebenen positiv – das sollte man nicht aufgeben, wenn ein einzelner Messwert etwas hinkt. Und für den Fall, dass aus Gesundheits- oder Leistungsgründen ein ganz spezifischer Parameter beeinflusst werden soll, gibt es eine ganze Menge Stellschrauben, an denen gedreht werden kann.

Prof. Dr. Tim Meyer, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlands und Arzt der Herren-Fußballnationalmannschaft.
Prof. Dr. Tim Meyer, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlands und Arzt der Herren-Fußballnationalmannschaft. © Meyer

■ Kura L

Quellen:

  1. Beiter T, Nieß AM, Moser D. Transcriptional memory in skeletal muscle. Don't forget (to) exercise. J Cell Physiol. 2020; 235: 5476-5489. doi:10.1002/jcp.29535

  2. Böhm A, Hoffmann C, Irmler M, Schneeweiss P, Weigert C et al. TGF-β Contributes to Impaired Exercise Response by Suppression of Mitochondrial Key Regulators in Skeletal Muscle. Diabetes. 2016; 65: 2849-2861. doi:10.2337/db15-1723

  3. Gundersen K, Bruusgaard JC, Egner IM, Eftestøl E, Bengtsen M. Muscle memory: virtues of your youth? J Physiol. 2018; 596: 4289-4290. doi:10.1113/JP276354

  4. Hecksteden A, Kraushaar J, Scharhag-Rosenberger F, Theisen D, Senn S, Meyer T. Individual response to exercise training - a statistical perspective. J Appl Physiol. 2015; 118: 1450-1459. doi:10.1152/japplphysiol.00714.2014

  5. Lewis LS, Huffman KM, Smith IJ, Donahue MP, Slentz CA et al. Genetic Variation in Acid Ceramidase Predicts Non-completion of an Exercise Intervention. Front Physiol. 2018; 9: 781. doi:10.3389/fphys.2018.00781

  6. Montero D, Lundby C. Refuting the myth of non-response to exercise training: ‘non-responders’ do respond to higher dose of training. J Physiol. 2017; 595: 3377-3387. doi:10.1113/jp273480

  7. Pickering, C., Kiely, J. Do Non-Responders to Exercise Exist—and If So, What Should We Do About Them? Sports Med. 2019; 49: 1-7. doi:10.1007/s40279-018-01041-1

  8. Ross R, Goodpaster BH, Koch LG, Sarzynski MA et al. Precision exercise medicine: understanding exercise response variability. Br J Sports Med. 2019; 53: 1141-1153. doi:10.1136/bjsports-2018-100328