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Fortsetzung Nonresponder, Low responder, Hardgainer: Was tun, wenn der Trainingseffekt ausbleibt?

Individuelle Response in der Trainingspraxis

Auf die Frage, wie man die aktuellen Forschungsergebnisse in die Trainingspraxis übertragen könnte, sagt Prof. Dr. Meyer, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes: »Viel Individualisierung erfolgt ja quasi intuitiv, indem man ,seinen Athleten‘ und dessen besondere Reaktionsformen kennt und bei der Trainingsplanung berücksichtigt. Im Individualsport dürfte eine Realisierung verschiedener Trainingspläne nebeneinander nicht allzu viele Schwierigkeiten bereiten. Im Mannschaftssport kann das schon schwieriger sein. Dort erfolgt Individualisierung entweder im Kraft- und Fitnesstraining oder indem man einzelne Sportler aus Teilen oder ganzen Trainingseinheiten herausnimmt. Was ich leider kaum sehe, ist eine Anwendung von Individualisierungsalgorithmen, obwohl die teilweise zu einer sehr brauchbaren Veranschaulichung auch für Trainer führen. Allerdings erfordern sie nicht selten eine hohe Testdichte, d. h. die Bereitschaft, oft getestet zu werden.«

Prof. Rosenberger wünscht sich eine solche regelmäßige Überprüfung jeweils relevanter Zielgrößen durch möglichst einfache Assessment-Maßnahmen auch im Gesundheitssport: »Die Leistungsfähigkeit lässt sich beim Krafttraining relativ einfach überprüfen, indem man die Gewichte im Auge behält. Beim Ausdauertraining können Strecken oder Zeiten erfasst oder kleine, submaximale Tests integriert werden. Fitness-Tracker können, richtig eingesetzt, ebenfalls geeignet sein. Bleiben die gewünschten Effekte aus, kann der Trainingsreiz verändert werden.« Zusätzlich plädiert sie für einen insgesamt wohltuenden Lebensstil mit ausreichend Schlaf, ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung auch außerhalb des Sports: »Neben Alter, Geschlecht und Genen, die wir nicht beeinflussen können, haben wir damit einen wesentlichen Schlüssel nicht nur für ein gesünderes Leben, sondern auch für bessere Trainingsresponse in der Hand.« Zahlreiche Studien geben ihr recht (7).

Früh die Saat für Trainingserfolg legen

Einer von vielen Faktoren für die individuelle Trainingsresponse liegt übrigens in unseren kleinsten Bausteinen: den Zellkernen. Sowohl Maus- als auch Menschenmodelle haben gezeigt, dass hohe physische Aktivitätslevel während der Jugend die Zahl der Nuclei in den Muskelzellen erhöhen. Norwegische Wissenschaftler bestätigen, dass diese sogar über lange Trainingspausen hinweg erhalten bleiben und bei erneuter sportlicher Aktivität im Erwachsenenalter dafür sorgen, dass die für Kraft- und Ausdaueraufbau zuständigen Strukturen im Sinne zellulärer Plastizität schnell wieder anspringen. Auf diese »epigenetische Toolbox« haben wir ein Leben lang Zugriff (1, 3).

Für Prof. Weigert ergibt sich daraus ein motivierender Ansatz für Gesundheitserziehung und Prävention: »Solche faszinierenden Studienergebnisse machen klar, wie wichtig Bewegung bereits in frühester Jugend ist. Das halte ich für deutlich sinnvoller als DNA-Tests, die das optimale Training für einen Menschen vorschlagen sollen.« Insgesamt sollte man sich von den vielen Einzelaspekten in Sachen Trainingsresponse nicht einschüchtern lassen. Sport wirkt auf so vielen Ebenen positiv – das sollte man nicht aufgeben, wenn ein einzelner Messwert etwas hinkt. Und für den Fall, dass aus Gesundheits- oder Leistungsgründen ein ganz spezifischer Parameter beeinflusst werden soll, gibt es eine ganze Menge Stellschrauben, an denen gedreht werden kann.

Prof. Dr. Tim Meyer, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlands und Arzt der Herren-Fußballnationalmannschaft.
Prof. Dr. Tim Meyer, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlands und Arzt der Herren-Fußballnationalmannschaft. © Meyer

■ Kura L

Quellen:

  1. Beiter T, Nieß AM, Moser D. Transcriptional memory in skeletal muscle. Don't forget (to) exercise. J Cell Physiol. 2020; 235: 5476-5489. doi:10.1002/jcp.29535

  2. Böhm A, Hoffmann C, Irmler M, Schneeweiss P, Weigert C et al. TGF-β Contributes to Impaired Exercise Response by Suppression of Mitochondrial Key Regulators in Skeletal Muscle. Diabetes. 2016; 65: 2849-2861. doi:10.2337/db15-1723

  3. Gundersen K, Bruusgaard JC, Egner IM, Eftestøl E, Bengtsen M. Muscle memory: virtues of your youth? J Physiol. 2018; 596: 4289-4290. doi:10.1113/JP276354

  4. Hecksteden A, Kraushaar J, Scharhag-Rosenberger F, Theisen D, Senn S, Meyer T. Individual response to exercise training - a statistical perspective. J Appl Physiol. 2015; 118: 1450-1459. doi:10.1152/japplphysiol.00714.2014

  5. Lewis LS, Huffman KM, Smith IJ, Donahue MP, Slentz CA et al. Genetic Variation in Acid Ceramidase Predicts Non-completion of an Exercise Intervention. Front Physiol. 2018; 9: 781. doi:10.3389/fphys.2018.00781

  6. Montero D, Lundby C. Refuting the myth of non-response to exercise training: ‘non-responders’ do respond to higher dose of training. J Physiol. 2017; 595: 3377-3387. doi:10.1113/jp273480

  7. Pickering, C., Kiely, J. Do Non-Responders to Exercise Exist—and If So, What Should We Do About Them? Sports Med. 2019; 49: 1-7. doi:10.1007/s40279-018-01041-1

  8. Ross R, Goodpaster BH, Koch LG, Sarzynski MA et al. Precision exercise medicine: understanding exercise response variability. Br J Sports Med. 2019; 53: 1141-1153. doi:10.1136/bjsports-2018-100328