Fortsetzung Nonresponder, Low responder, Hardgainer: Was tun, wenn der Trainingseffekt ausbleibt?
Nur scheinbar widersprüchlich
Erst bei genauerem Hinsehen erschließt sich, dass fast keine Analyse umfassend genug konzipiert ist, um die Frage nach der Existenz von Nonrespondern eindeutig zu klären. So hat etwa das Team von Prof. Weigert in einer Trainingsintervention zur Diabetesprävention molekulare Anpassungsleistungen an sportliche Aktivität untersucht (2). Statt nur der VO2max standen dabei Faktoren wie Glukosetoleranz und Insulinsensitivität im Fokus. Bei manchen Teilnehmenden fand keine nennenswerte Veränderung dieser Parameter statt – sie waren definitionsgemäß Non- bzw. Low responder, obwohl alle ihre körperliche Fitness verbessern konnten. In Muskelbiopsien fanden die Wissenschaftler eine ausbleibende Reaktion derjenigen Gene, welche für die Fett- und Zuckerverbrennung essenziell sind. Stattdessen zeigten die Muskeln Anzeichen leichter subklinischer Entzündung sowie eine erhöhte Aktivität des Proteins TGF-β. Dieses ist für die Reparatur von Mikro-Muskelläsionen zuständig, hemmt jedoch gleichzeitig die Insulinwirkung auf Muskelzellen. In der Folge trat kein messbarer Effekt ein, was man mindestens partiell als Nachweis von Nonresponse werten kann – inklusive schlüssiger Erklärung.
Eine von mehreren Studien, die an der Existenz »echter« Nonresponder zweifeln, kommt aus der Schweiz. Hier absolvierten die Teilnehmenden ein sechswöchiges Ausdauertraining in fünf Stufen (ein- bis fünfmal wöchentlich). Bei allen zwei- bis fünfmal wöchentlich Trainierenden verbesserten sich VO2max und muskuläre Mitochondriendichte mehr oder weniger signifikant. Aus der Gruppe der nur einmal wöchentlich Trainierenden hatten im Mittel 31 Prozent keinen Effekt, konnten jedoch nach weiteren sechs Wochen mit zwei zusätzlichen wöchentlichen Trainingseinheiten ebenfalls Erfolge verzeichnen. Damit lag die Nonresponder-Rate faktisch bei Null, was die Autoren zu der Aussage veranlasste, dass ab einer gewissen Sport-Dosis jeder profitiert (6).
Prof. Weigert findet die Diskrepanzen logisch: »Zunächst wurden ja ganz unterschiedliche Kollektive untersucht. In unserer Studie etwa handelte es sich um übergewichtige, untrainierte Menschen mittleren Alters; die Schweizer Gruppe bestand aus jungen, sportlich aktiven Menschen. Wir haben diabetesrelevante Parameter gemessen, die andere Studie konzentrierte sich rein auf kardiorespiratorische Fitness. Bei den jungen Sportlern wäre der von uns beschriebene Mikroinflammations-Mechanismus sicher gar nicht erst aufgetreten, weil der ungewohnte Trainingsreiz hauptsächlich in ungeübten Muskeln zu entzündlichen Prozessen führt. Deshalb sollten solche Personen unserer Meinung nach lieber länger, aber dafür weniger intensiv trainieren oder erst einmal Kraft aufbauen. Am wichtigsten ist Regelmäßigkeit.«
Irgendwas geht immer
Dass hohe Nonresponder-Raten bezüglich eines bestimmten Parameters nicht zwingend aussagekräftig sind, bestätigt Prof. Rosenberger. Sie hat in einer Interventionsstudie an gesunden Untrainierten beobachtet, dass sich bei 24 Prozent der Probanden trotz Training die VO2max nicht veränderte. »Doch das heißt nicht, dass diese Menschen gar nicht profitiert hätten. Wir haben eine ganze Reihe an Messgrößen erhoben und gesehen, dass bei den VO2max-Nonrespondern z. B. die individuelle anaerobe Schwelle, die Ruhe-Herzfrequenz oder die Herzfrequenz während submaximaler Belastung Anpassungen zeigten. Alle haben also auf den Trainingsreiz reagiert, nur eben nicht unbedingt mit einem Anstieg der VO2max.« Sowieso ist nicht immer nur Ausdauertraining zielführend: Manche Menschen erzielen durch reine Kraftübungen tatsächlich bessere kardiorespiratorische Ergebnisse – oder brauchen schlicht eine andere Art von Anstrengung, etwa Sprintintervall- statt Ausdauertraining (7).
Alles eine Frage der Statistik?
Mehrere empfehlenswerte Übersichtsarbeiten haben sich mit der statistischen Komponente von Response-/Nonresponse-Evaluierungen befasst. Herausforderungen sind u. a. Interpretationsschwierigkeiten durch das Fehlen von Kontrollgruppen, die Unmöglichkeit, ein Individuum mehrfach die gleiche Intervention »from scratch« durchlaufen zu lassen sowie das Objektivitätsdilemma von Prä-/Post-Interventions-Tests, die von zahlreichen Einflüssen abhängen (7, 8). An der Universität des Saarlandes entstand unter Federführung von PD Dr. med. Anne Hecksteden, die zu Individualisierung in der Sportmedizin habilitiert hat, eine Analyse individueller Response aus statistischer Sicht. Ihr Fazit: Trainingseffekte müssen stets vor dem Hintergrund intraindividueller Schwankungen und am besten mit einem hohen Detaillierungsgrad bezüglich der gewählten Parameter betrachtet werden. Um gar Vorhersagen treffen zu können, bräuchte es aber ein multivariates, Interaktionen einbeziehendes Testmodell, das die physiologischen Umstände jedes einzelnen Athleten berücksichtigt. Eine schwierige Aufgabe (4).