In welchem Alter trainiert man Gelenkigkeit am effektivsten?
Für viele Sportarten ist neben Muskelkraft, aerober Ausdauer und Technik auch Beweglichkeit essenziell. Allgemein wird empfohlen, mit dem Beweglichkeitstraining möglichst früh im Kindes- oder Jugendalter zu beginnen. Welches Alter genau sich am besten zur Steigerung von Gelenkigkeit und Bewegungsumfang (Range of Motion/ROM) eignet, hat nun ein Team griechischer und österreichischer Wissenschaftler in einer systematischen Überprüfung mit Metaanalyse untersucht (1).
Gelenkigkeit bei Jüngeren besser?
Flexibilität ist definiert als der schmerzfrei durchführbare Range of Motion von Gelenken oder Gelenkketten. Größere ROMs bieten dabei Vorteile für sportartspezifisch erforderliche Bewegungen; darüber hinaus existieren Hinweise darauf, dass entsprechende Defizite höhere Verletzungsanfälligkeiten mit sich bringen können. Bisher wurde – z. B. im sogenannten Youth Physical Development Model – davon ausgegangen, dass junge Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder weniger steif sind und deshalb sehr positiv auf Dehnung reagieren. Während der Adoleszenz wird diesbezüglich ein Plateau erreicht; bei Erwachsenen nimmt der Bewegungsspieltraum der Gelenke dann meist etwas ab. Diese Beobachtungen führten zur Vorstellung eines optimalen Zeitfensters für Dehntraining im Alter zwischen 6 und 11 Jahren. Die Evidenz hierfür ist jedoch rar.
Vorteil für Jüngere bei hohen Dehnvolumina
Für ihre Arbeit zogen die Autoren 28 Studien mit den Daten von insgesamt 1936 Probanden heran. 975 davon männlich, 652 zwischen 5 und 11 Jahre und 1284 zwischen 12 und 18 Jahre alt. Primäres Ziel der Studie war der Vergleich zweier Zeitfenster (6–11 Jahre vs. 12–18 Jahre) hinsichtlich der Auswirkungen von kontrolliertem statischem Dehntraining über die Dauer von >14 Tagen auf die ROM der unteren Extremität. Sekundäre Ergebnisse ergaben sich aus der Unterscheidung der jeweils angewendeten Dehnvolumenbelastung (< 3600 s vs. ≥ 3600 s Gesamtdehndauer).
Für die Gesamtgruppe aller Probanden zeigten sich dabei zeitlich begrenzte Dehn-Interventionen im Vergleich zu interventionsfreien Kontrollgruppen insgesamt als effektiv zur Vergrößerung der ROM (SMD=0,96; 95%-KI: 0,79–1,13; p <0,001). Der Unterschied der jüngeren Altersgruppe verglichen mit der älteren in der ROM-Verbesserung war nicht signifikant (SMD=1,09 vs. 0,90, p =0,32).
Erst in der Subgruppenanalyse stellte sich heraus, dass höhere Dehnvolumina von ≥ 3600 s innerhalb von 10 Wochen bei jüngeren Kindern effektiver waren als niedrige (SMD=1,21; 95%-KI: 0,82–1,60; p <0,001 vs. SMD=0,62; 95%-KI: 0,29–0,95; p =0,0003). Ältere Jugendliche sprachen auf höhere und niedrigere Volumina ähnlich gut an (SMD=0,90; 95%-KI: 0,47–1,33; p < 0,001 vs. SMD=0,90; 95%-KI: 0,69–1,12; p < 0,001).
Die Autoren geben zu bedenken, dass sich die beiden Dehnbelastungs-Bereiche (≤ bzw. ≥ 3600 Sekunden über 10 Trainingswochen hinweg bei 3 Sitzungen/Woche mit 2 Sätzen à 2 Übungen von 30 Sekunden) nur in der Anzahl der Übungen je Sitzung und in der Gesamt-Interventionsdauer unterschieden. Für die intensiver trainierende Subgruppe ergab sich ein sechsfach größeres mittleres Stretchingvolumen und eine doppelte Trainingsdauer. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass sich Gelenkigkeit nur langsam auf ein Optimum hin trainieren lässt, weil die dafür notwendigen morphologischen Anpassungen nur langsam vonstattengehen.
Fazit: Die Ergebnisse der Metaanalyse legen die Wahrscheinlichkeit eines „idealen Zeitfensters“ für Dehntraining im Alter zwischen 6 und 11 Jahren nahe – allerdings nur dann, wenn mit mäßig hoher Frequenz und Belastung geübt wird. Im späteren Jugendalter verschwimmt dieser kleine Vorsprung zwar, doch die insgesamte Fähigkeit zur Verbesserung der Flexibilität bleibt erhalten.
■ Kura L
Quellen:
Donti O, Konrad A, Panidi I, Dinas PC, Bogdanis GC. Is There a "Window of Opportunity" for Flexibility Development in Youth? A Systematic Review with Meta-analysis. Sports Med Open. 2022; 8: 88. doi:10.1186/s40798-022-00476-1