Herzfrequenz-basierte und neue EKG-basierte Biomarker des autonomen Nervensystems in der sportmedizinischen Diagnostik
Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Review) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.
Rationale
In den letzten Jahren sind in der sportmedizinischen, sportphysiologischen sowie höhenmedizinischen Forschung zunehmend Biomarker des autonomen Nervensystems (ANS) in den Fokus gerückt. Hierbei konnten Zusammenhänge von Veränderungen dieser Marker mit physiologischen Parametern, Leistungsfähigkeit und Performance, aber auch trainingsinduzierten Erschöpfungszuständen erhoben werden. Daher ist die Bestimmung von autonomen Biomarkern vermehrt in die Trainingssteuerung und deren wissenschaftliche Aufarbeitung eingeflossen. In diesem Zusammenhang haben sich als klassische Marker vor allem die heart rate variability (HRV) und deren Indizes sowie die heart rate recovery (HRR) etabliert. Seit kurzem werden auch vermehrt neue EKG-basierte Parameter des autonomen Nervensystems untersucht. Unter diesen sind besonders die periodic repolarization dynamics (PRD), ein Marker der den efferenten Einfluss des Sympathikus auf das Myokard widerspiegelt, sowie die deceleration capacity (DC) hervorzuheben, die vagale Einflüsse anzeigt. Die Bedeutung dieser beiden neuen Marker ist vor allem durch die Möglichkeit einer Risikostratifizierung nach Myokardinfarkt hinsichtlich plötzlichem Herztod und Arrhythmogenität sichtbar geworden.
Einsatz von HRV-Parametern
HRV besteht aus verschiedenen Indizes, die über Zeit- und Frequenzanalysen berechnet werden. Korrelationen mit funktionellen Parametern wie anaerober Schwelle bzw. Laktatschwelle sind beschrieben, auch wenn die Evidenz noch unzureichend ist. Bezüglich Trainingssteuerung und Trainingsanpassung scheint sich hier vor allem der Parameter lnrMSSD anzubieten, da er sich auch aus sehr kurzen EKG-Aufzeichnungen berechnen lässt. Einige Arbeiten konnten bereits zeigen, dass anhand von Veränderungen dieses Parameters eine Unterscheidung zwischen positiver Adaptation und Übertraining bzw. Erschöpfungszustände möglich ist. Daher haben mehrere Gruppen eine Trainingssteuerung nach HRV-Parametern wie auch HRR-Parametern ausgerichtet, wodurch sich signifikante Leistungsverbesserungen erzielen lassen. Dennoch ist der Evidenzgrad aufgrund teilweise widersprüchlicher Ergebnisse, methodischer Unterschiede und großer Fehlerschwankungen noch unzureichend.
PRD als neuer EKG-basierter Biomarker
Auch PRD und das zugrundeliegende dT° Signal, welches auf raumzeitlichen Veränderungen des T-Wellen-Vektors in der Repolarisation des elektrischen Herzzyklus beruht, scheint ein vielversprechender Parameter in der Sportphysiologie zu sein, da charakteristische dT° Veränderungen bei Ausdauertests mit der Laktatschwelle korrelieren. Die Untersuchung weiterer Einsatzmöglichkeiten in Trainingssteuerung ist hier jedoch noch ausstehend.
Biomarker im Höhen- und Tauchsport
Auch im Hochalpinsport und beim Tauchsport zeigen sich durch die veränderten Umgebungsdrücke und Luftzusammensetzungen Veränderungen im Biosignal des autonomen Nervensystems. In der Höhe kommt es zu einer Prädominanz des Sympathikusanteils und Veränderungen von Biomarkern können auf die Entstehung einer akuten Höhenkrankheit hinweisen. Im Gegensatz zur Höhe dominiert beim Tauchen meist der Parasympathikusanteil.
Biomarker zur Risikostratifizierzng im Sport hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse
Weiterhin könnten autonome Biomarker zur Sporttauglichkeitsbeurteilung bei kardiovaskulär vorerkrankten Patienten dienen. Autonome Dysfunktion ist eine häufige Begleiterscheinung bei kardiovaskulären Erkrankungen, insbesondere nach Myokardinfarkt. Autonome Biomarker zeigen hier oft pathologische Profile, und eine Assoziation mit der Entstehung von malignen ventrikulären Arrhythmien und plötzlichem Herztod ist beschrieben. Aus diesem Grund könnten Biomarker für eine Risikostratifizierung und Eignung hinsichtlich bestimmter Sportarten bei kardiovaskulär Erkrankten herangezogen werden. Durch Anpassung von Trainingsintensitäten und -modalitäten anhand dieser Marker könnte für dieses Patientenkollektiv ein größeres Sicherheitsnetz geschaffen werden. Denn regelmäßige sportliche Betätigung im Kraft- und Ausdauerbereich ist durch deren kardioprotektive Wirkung bei kardial Vorerkrankten wichtig. Der protektive Effekt spiegelt sich wiederum in der Verbesserung des Profils autonomer Biomarker wider.
■ Schüttler D, Hamm W, Bauer A, Brunner S