Hängesyndrom

Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Review) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.

Hängesyndrom
Da die Beine unterhalb des Anseilpunktes liegen, kommt es zu keinem Blutrückfluss nach eingetretener Bewusstlosigkeit. © Plattner

Einleitung

Das Hängesyndrom ist ein potentiell lebensgefährlicher Zustand, der durch bewegungsloses Hängen bei seilgesicherten Tätigkeiten auftreten kann. Die Inzidenz ist unklar. Der Begriff „Hängetrauma“ wird oft synonym gebraucht. Da es sich aber nicht um ein Verletzungsbild handelt, sollte dieser missverständliche Ausdruck vermeiden werden.

Pathophysiologie

Im Kern steht ein reduzierter zerebraler Blutfluss mit einem konsekutiven Bewusstseinsverlust. Diesem gehen präsynkopale Symptome voraus, z. B. Schwindel, Blässe, Kaltschweißigkeit und Übelkeit. Nach Symptombeginn kann es innerhalb von Sekunden bis Minuten zum Bewusstseinsverlust kommen. Tritt die Bewusstlosigkeit während des Hängens auf, kommt es, nicht zu einer Wiederherstellung des zerebralen Blutflusses durch Blutrückfluss aus der unteren Extremität, da sich diese unterhalb des Anseilpunktes befinden (Abb. 1). Dies führt zu einer anhaltenden Bewusstlosigkeit mit verminderter Endorganperfusion, möglichen Organschäden (z. B. Nierenversagen) und letztlich Tod.

Als Ursache für die Bewusstlosigkeit werden zwei Hauptmechanismen diskutiert. Bedingt durch die Schwerkraft und den Ausfall der Muskelpumpe kommt es zu einem venösen Pooling in den Beinen. Der Einfluss dieses Poolings auf die Kreislaufparameter ist nach neuesten Erkenntnissen jedoch so gering, dass dies nicht als führender Mechanismus angesehen wird. Hingegen wurde in aktuellen experimentellen Studien als führende Ursache für den Bewusstseinsverlust kurz nach den präsynkopalen Symptomen eine plötzliche Bradykardie und Hypotonie nachgewiesen, ähnlich einer neurokardiogenen Synkope.

Bergungstod

In der Vergangenheit wurde empfohlen, eine sofortige Flachlagerung nach der Rettung zu vermeiden, da dies über eine kardiale Volumenüberlastung zum Bergungstod führen kann. Dies konnte experimentell jedoch nicht nachgewiesen werden, eine Flachlagerung ist also gefahrlos möglich. Beschriebene Todesfälle kurz nach der Rettung sind somit eher durch eine Lungenarterienembolie oder durch Herzrhythmusstörungen auf Grund einer Rhabdomyolyse bedingten Hyperkaliämie verursacht.

Die wichtigsten Präventivmaßnahmen

– Tätigkeiten am Seil niemals alleine durchführen
– Aktivierung der Muskelpumpe während des Hängens (z. B. Beine bewegen, in Trittschlinge steigen)

Behandlung

– Eigenschutz der Rettungskräfte
– Schnellstmögliche Rettung aus hängender Position
– Patient zu Präventivmaßnahmen anleiten
– Behandlung nach Standard <C>ABCDE-Schema; eine Flachlagerung ist unproblematisch
– Frühes Ableiten eines EKG (mögliche Herzrhythmusstörungen)
– Lungenarterienembolie als mögliche reversible Ursache eines Herzkreislaufstillstandes bedenken
– Versorgungseinrichtung mit Nierenersatzverfahren ab zwei Stunden Hängezeit
– Erhöhtes Hypothermierisiko
– Horizontaler Abtransport

■ Lechner R, Rauch S