Gehirnmasse von Ausdauersportlern und Nichtsportlern im Vergleich

Gehirnmasse von Ausdauersportlern und Nichtsportlern im Vergleich
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Schon lange weiß man, dass regelmäßige moderate Bewegung nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Leistungsfähigkeit erhöht. Unklar war bisher, in welchem Ausmaß extremer Ausdauersport wie z. B. Training auf Ironman-Wettkämpfe, bei dem die Athleten bis zu fünfmal so viel trainieren wie von den Gesundheitsbehörden empfohlen, das Gehirn beeinflusst. Da diese Art von Überanstrengung durchaus mit negativen physischen Effekten wie Schäden am Herzgewebe und muskuloskelettalen Verletzungen assoziiert ist, liegt die Frage nach entsprechenden Einflüssen auf die Gehirnmasse nah. Eine Gruppe südafrikanischer Forscher hat deshalb die Gehirne von Extrem-Ausdauersportlern und sportlich unambitionierten Personen per Magnetresonanztomographie (MRT) verglichen (1).

Im Fokus: Graue und Weiße Gehirnmasse

Die Zusammensetzung des Gehirns reagiert nachweislich auf körperliche Aktivität. So aktiviert extremes Training die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (Stressachse), was zu chronisch erhöhten Cortisolspiegeln führt. Das Cushings-Syndrom geht ebenfalls mit hohen Cortisolspiegeln bei gleichzeitig niedrigeren Anteilen an Grauer Masse (GM) im Gehirn einher. Gute aerobe Fitness hingegen lässt Graue und Weiße Masse anwachsen, und im Mausmodell zeigte sich bei hochaktiven Tieren eine verstärkte Neurogenese. Ähnliche Erkenntnisse erwarteten die Wissenschaftler bei Extrem-Ausdauersportlern im T1-gewichteten MRT.

Insgesamt 21 Probanden nahmen an der Studie teil. 12 von ihnen (10 Männer, 2 Frauen) trainierten für den Ironman, und zwar hochintensiv mit 1078,75 ± 407.86 Minuten pro Woche. Die 9 inaktiven Teilnehmer (2 Männer, 7 Frauen) bewegten sich sehr wenig, nämlich nur 18 ± 56.9 Minuten pro Woche. Zwar waren sie entsprechend übergewichtig, jedoch ansonsten völlig gesund. Ausschlusskriterien waren frühere oder akute kardiovaskuläre, neurologische und psychiatrische Pathologien, Stoffwechselkrankheiten, Drogen-, Alkokohol- oder Nikotinabusus sowie die Einnahme psychoaktiver Medikamente innerhalb des vergangenen Monats.

Überraschendes Ergebnis bei der Analyse einzelner Gehirnareale

Wie erwartet, wiesen die differenzierten volumetrischen MRT-Aufnahmen der Ausdauersportler insgesamt höhere Anteile an Grauer und Weißer Masse auf. Interessant wurde es jedoch bei der differenzierten Auswertung einzelner Gehirnareale, in denen die Graue Masse der Extremathleten signifikant geringer war als bei inaktiven Personen: rechter Gyrus frontalis inferior, rechter Gyrus frontalis medius, rechter motorischer Kortex, rechter somatosensorischer Kortex und linker Thalamus.

Als Grund für die größere Gesamt-Gehirnmasse bei Sportlern vermutet man unter anderem eine Anpassung von Angio- und Neurogenese, gesteigerte Oligodendrogenese und Myelinisierung sowie eine Erhöhung der Gesamtlänge, der dendritischen Länge und der Komplexität von Neuronen. Dass jedoch die Graue und Weiße Masse bei Ausdauerathleten in einzelnen Regionen geringer ist, überrascht insofern, weil die betroffenen Gehirnareale tragende Rollen für Sensomotorik und Ermüdung spielen – zwei für Hochleistung existenzielle Aufgaben. Die Antwort könnte in der dendritischen Komplexität liegen, welche im Tierversuch nach exzessivem Training in kardiorespiratorischen und lokomotorischen Gehirnregionen verringert war: Eventuell geht ein Gesamtzuwachs an Gehirnmasse schlicht zu Lasten bewegungsspezifischer Areale. Als zweite Erklärung kommen trainingsbedingt hohe Cortisolspiegel infrage, die zu einer glukokortikoidvermittelten neuronalen Atrophie beitragen könnten. Die Studienautoren regen weitere Forschung auf diesem Gebiet an, um befriedigendere Erklärungen zu finden.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Paruk T, Rauch L, Jankiewicz M, Van Breda K, Stein DJ, King M. Structural brain differences between ultra-endurance athletes and sedentary persons. J Sport Health Sci. 2020; 2(2): 89-94. doi:10.1016/j.smhs.2020.05.004