Elektrostimulation statt OP bei Karpaltunnelsyndrom

Elektrostimulation statt OP bei Karpaltunnelsyndrom
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Das schmerzhafte Karpaltunnelsyndrom (KTS) kann Alltag und Sportausübung empfindlich beeinträchtigen, weshalb man bei der Behandlung auf schnelle Erfolge abzielt. Als Goldstandard gilt bisher die endoskopische operative Spaltung des Retinakulums. Die meisten lokalen konservativen Maßnahmen wie Ultraschall, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Nervengleitübungen, Mikrowellen oder Lasertherapie haben sich bisher als nicht gleichwertig erwiesen.

In der aktualisierten deutschen S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms“ (1) werden deshalb im konservativen Bereich neben der nächtlichen Ruhigstellung per Schiene nur ultraschallgesteuerte lokale Glukokortikoid-Infiltrationen, orale Glukokortikoidgaben sowie Low-Level-Lasertherapie empfohlen. Weil bei chirurgischen Eingriffen immer ein Risiko von Wundheilungsstörungen, exzessiver Narbenbildung und Nervenschädigungen bleibt, werden nichtoperative Behandlungsmethoden intensiv erforscht. Eine aktuelle randomisierte Studie spanischer Forscher zeigt nun sehr ermutigende Ergebnisse für die ultraschallgesteuerte perkutane Elektrostimulation (PENS) (2).

Karpaltunnelsyndrom als komplexes Schmerzgeschehen

Die Wissenschaftler nahmen die PENS deshalb in den Fokus, weil o.g. Optionen die komplexe neuropathische Natur des KTS ihrer Meinung nach nicht vollumfänglich adressieren. Bei der Methode wird unter Ultraschallüberwachung und Regionalanästhesie Strom durch eine feine Filamentnadel perkutan an muskuloskelettale Strukturen wie Bänder, Sehnen oder Muskeln appliziert – bei Beschwerden im Handgelenk etwa an zwei Punkten des N. medianus am Unter- und Oberarm. In der vorliegenden Studie loste man 35 von 70 Teilnehmerinnen, die seit mindestens sechs Monaten an einem elektromyografisch bestätigten Karpaltunnelsyndrom des Handgelenks litten, randomisiert entweder der PENS- (dreimal 45 Minuten in drei aufeinanderfolgenden Wochen) oder der OP-Gruppe zu. Beide Gruppen wurden zusätzlich in Sehnen-/Nerven-Gleitübungen unterwiesen, die sie zu Hause in Eigenregie durchführen sollten. Patientinnen mit vorheriger konservativer oder Steroid-Behandlung kamen als Probandinnen nicht in Frage.

Als Meilensteine legte das Forscherteam die maximale Schmerzintensität zu Studienbeginn, nach einem Monat sowie nach drei, sechs und zwölf Monaten fest – gemessen jeweils auf der Numeric Pain Rating Scale (NPRS), bei der 10 die maximale Schmerzstärke darstellt. Veränderungen bezüglich der Gelenkfunktion und allgemeine Symptomschwere wurden mit dem fünfstufigen Boston Carpal Tunnel Questionnaire (BCTQ) beurteilt.

Schmerzintensität und Gelenkfunktion

In puncto mittlere Schmerzintensität durfte sich die PENS-Gruppe, verglichen mit der OP-Gruppe, bereits nach einem Monat und nach drei Monaten über signifikante Verbesserungen freuen:

■ nach 1 Monat median -2,0 Punkte (95%-KI: -2,9 bis -1,1; p=0,01)

■ nach 3 Monaten median -1,4 Punkte; 95%-KI: -2,3 bis -0,5; p=0,01)

Erst nach sechs Monaten hatte die OP-Gruppe diesbezüglich aufgeholt.

 

Die maximale Schmerzintensität war für die PENS-Gruppe im Vergleich sogar an drei frühen Testzeitpunkten signifikant verringert:

■ nach 1 Monat median -2,2 Punkte (95%-KI: -3,3 bis -1,1; p<0,01)

■ nach 3 Monaten median -1,75 Punkte; 95%-KI: -2,9 bis -0,6; p<0,01)

■ nach 6 Monaten median -1,7 Punkte; 95%-KI: -2,8 bis -0,6; p<0,01)

Hier kam es sogar erst nach einem ganzen Jahr zum Gleichstand.

 

Auch bezüglich der Gelenkfunktion ergaben sich moderat signifikante Vorteile für die PENS-Therapie gegenüber einer Operation:

■ nach 1 Monat median -0,95 Punkte (95%-KI: -1,1 bis -0,8)

■ nach 3 Monaten median -0,55 Punkte; 95%-KI: -0,8 bis -0,3)

■ nach 6 Monaten median -0,4 Punkte; 95%-KI: -0,6 bis -0,8)

Nach zwölf Monaten hatten sich die Gruppenunterschiede hinsichtlich der Gelenkfunktion nivelliert. Ähnliche Verbesserungen ergaben sich für die allgemeine Symptomschwere und die Selbstwahrnehmung der Patientinnen.

Fazit: Mit der ultraschallgestützten perkutanen Elektrostimulation steht laut dieser Studie eine sehr gut wirksame, risikoarme nichtoperative Alternative zur chirurgischen Retinakulumspaltung zur Verfügung. Weitere größere Studien auch an männlichen Probanden sollten hierzu weitere Erkenntnisse beisteuern.

■ Kura L

Quellen:

  1. Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie, Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. S3-Leitlinie “Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms“ Stand: 2022.